Wie viel kritischer Journalismus ist noch erlaubt? Bei den Öffentlich-Rechtlichen beim Thema "Corona-Krise" offenbar nicht allzu viel. Am 5. Oktober schrieb Ole Skambraks, Redakteur der ARD beim Südwestrundfunk (SWR), einen offenen Brief, in dem er sich am 5. Oktober kritisch zur Corona-Berichterstattung äußerte und der viel medialen Wirbel auslöste.
Veröffentlicht wurde der Text vom Online-Magazin Multipolar. Darin schrieb er unter anderem:
"Ich kann nicht mehr schweigen. Ich kann nicht mehr wortlos hinnehmen, was seit nunmehr anderthalb Jahren bei meinem Arbeitgeber, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk passiert."
Skambraks führte weiter aus, wie die öffentlich-rechtlichen Sender in der Bundesrepublik das Gegenteil von dem praktizieren, was in deren Statuten und den zugrundeliegenden Medienstaatsverträgen über ihre Aufgaben steht.
Nun bekam er die Konsequenzen durch seinen Arbeitgeber zu spüren: Am Freitag stellte der SWR seinen langjährigen Mitarbeiter vom Dienst frei – eine Begründung gab es nicht.
Der Brief, der Skambraks vom SWR zugesandt worden war, ging mit keinem einzigen Wort auf seine Kritik ein, wie Multipolar am Dienstag berichtet. Stattdessen wurde er von der Personalabteilung verschickt und umfasst einen einzigen Satz:
"Aus aktuellem Anlass sind Sie ab sofort und bis auf Weiteres von jeglicher Tätigkeit im Rahmen Ihres befristeten Beschäftigungsverhältnisses im SWR bezahlt freigestellt."
Eine Begründung vom Sender gab es nicht.
Einen Tag vor der Beurlaubung von Skambraks hatte die Stuttgarter Zeitung noch unter Bezug auf einen SWR-Sprecher mitgeteilt:
"Von Strafe oder Sanktionen ist beim Südwestrundfunk keine Rede – das wäre ziemlich unklug. Allen Beschäftigten stehe es frei, im Rahmen der Rechtsordnung ihre Meinung zu äußern, sagt eine Sendersprecherin; dazu gehöre auch Kritik am SWR."
Auf die Nachfrage von Multipolar nach dem Grund für die Beurlaubung ging der Sender am Montag kaum ein, sondern erklärte lediglich:
"Wie unter anderem die Stuttgarter Zeitung richtig zitiert, steht es allen Kolleginnen und Kollegen im SWR frei, ihre Meinung zu äußern – auch in Form von Kritik am SWR –, solange dies von der Rechtsordnung gedeckt ist. Wir bedauern jedoch, dass in diesem Fall der Weg über Dritte anstelle des vertieften direkten Austauschs gesucht wurde, zumal Herr Skambraks genau diesen ja selbst fordert. In der Sache teilen wir seine persönliche Auffassung nicht, vor allem weil die Aussagen zur Corona-Pandemie zumindest durch fehlende Einordnung einen falschen Eindruck erwecken. Über nach in seiner Wahrnehmung nicht aufgegriffene Themen wurde in Wahrheit sehr wohl berichtet. Zu diesen Punkten haben wir uns um einen internen Austausch mit ihm bemüht."
Skambraks weiß laut Multipolar nichts von solchen Bemühungen. Nach einem Termin am 8. Oktober mit seinen direkten Vorgesetzten Jan-Philippe Schlüter, Leiter des Programm-Managements, und Wolfgang Gushurst, Wellenleiter beim SWR2, gab es laut Skambraks keine weiteren Dialogangebote des Senders. Der Journalist resümierte:
"Das Gespräch am 8.10. verlief freundlich, es gab den Versuch, meine Beweggründe zu verstehen, am Ende gegenseitige Ratlosigkeit, wie weiter zu verfahren ist."
In der Folge war Skambraks bis Freitag letzter Woche krankgeschrieben und wollte am Montag wieder zur Arbeit gehen. Aber das wird ihm nicht gestattet. Auch sein Zugang zu E-Mails, dem Intranet und den Sendesystemen wurde gesperrt.
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