RT DE fragte Folker Hellmeyer nach den Gründen für die Erhöhung der Gaspreise in Deutschland und Europa. Der Volkswirt und Finanzanalyst erklärte, die Gaspreiserhöhung sei sowohl auf "hausgemachte Probleme" als auch auf die "Folgen der globalen Wirtschaft" zurückzuführen.
Das Problem sei, dass Deutschland langfristige Lieferverträge nicht mehr fortgesetzt habe, sondern dabei in Richtung kurzfristige Lieferverträge gleichsam mit Moskau gegangen sei. Dahinter stehe auch eine "ideologische Entscheidung", in dem Sinne, dass man sich von fossilen Energieträgern trennen wolle. Engpässe könnten in Europa drohen, sagte der Finanzanalyst. Laut der Internationalen Energieagentur müssten bis zum Jahr 2050 fossile Energieträger eine elementare Rolle leisten, da eine Energiewende hin zu nahezu ausschließlich alternativen Energien vor diesem Zeitpunkt physisch und technisch nicht machbar sei, fügte Hellmeyer hinzu. Dabei gebe es auch einen weiteren Aspekt:
"Wir haben nach Corona eine globale homogene, also gleichzeitige Erholung der Weltwirtschaft, die insgesamt dazu führt, dass überall gleichzeitig erhöhter Bedarf an fossilen Energieträgern gegeben ist."
Die Bild-Zeitung postuliert, dass die Gaspreiserhöhung in Deutschland auf die Politik Russlands zurückzuführen sei. Diesem Vorwurf widersprach der Finanzanalyst. Es sei festzustellen, "dass Russland sich an seine Verträge hält, so wie in der gesamten Geschichte". Hier verdrehe man das Bild der Realität vollständig. Von Russland werden auch Angebote gemacht, die Exporte sogar zu erhöhen.
Zu den benötigten Genehmigungen für Nord Stream 2 erklärte Hellmeyer, es gehe bei Nord Stream 2 nicht um eine egozentrische deutsche Lösung. Er betonte, dass sich damit ein Großteil der europäischen Probleme der Gasbelieferung lösen ließe. "Insofern fordere ich hier zwingende Sachlichkeit ein, wenn es wirklich um Interesse deutscher und europäischer Bürger geht", führte er aus.
Auf die Frage nach den möglichen flächendeckenden Preiserhöhungen im Winter sagte der deutsche Finanzanalyst, vieles hänge daran, "ob wir jetzt zügig Nord Stream 2 in die Leitung bringen". Wenn man das mache, dann werde sich dieses Bild schneller wieder entspannen als jetzt unter Umständen denkbar sei. Politiker sollten die Interessen der Bürger wahren und auch Sachlichkeit in der Debatte um Nord Stream 2 nicht vernachlässigen.
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