Vize-Vorsitzender der CDU-Arbeitnehmerorganisation: "Haben die soziale Mitte vernachlässigt"

Der CDU fehle es nicht an konservativem Profil, sondern an Gespür für die sozialen Belange der einfachen Leute – das meint der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Arbeitnehmerorganisation CDA, und will die soziale Mitte zurückerobern. Ob das der richtige Ansatz ist?

von Kaspar Sachse

Der stellvertretenden Vorsitzende der CDU-Arbeitnehmerorganisation Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA), Dennis Radtke, schildert aus seiner Sicht in einem Artikel für die FAZ die Ursachen des "Höllensturzes" seiner Partei bei den vergangenen Bundestagswahlen. 

Laschet und der konservative Markenkern

Zu Beginn arbeitet sich der 42-jährige an dem Kanzlerkandidaten der Union ab. Einerseits "hat Armin Laschet in diesem Wahlkampf vieles falsch gemacht." Anderseits sei er ein "Mann, der für eine weltoffene, liberale und soziale CDU der Mitte steht" – dem aber letztlich der Mut gefehlt habe, das konservative Klientel um Friedrich Merz nicht zu vernachlässigen.

Da stellt sich die Frage, ob Laschet nicht gerade gut daran getan hätte, den seit Merkel völlig vernachlässigten konservativen Markenkern der CDU noch viel stärker wieder ins Boot zu holen. Doch Radkte sieht das ganz anders:

"Die Taktung, in der Forderungen nach 'CDU pur' oder 'die CDU müsse wieder konservativer werden' lauter werden, hat sich mit der Wahlniederlage wieder verdichtet. Aus meiner Sicht sind diese Einwürfe eine Mischung aus Schlussfolgerungen jenseits der Empirie und ein plumper Versuch der Selbstvermarktung."

Radkte scheint hier nicht begriffen zu haben, dass gerade im Osten die AfD die CDU verdrängt hat. Und das, weil die AfD zahlreiche Positionen der Vor-Merkel-CDU noch im Programm hat, wie etwa die strikte Flüchtlingspolitik oder ein genuin konservatives und mittelständisches Weltbild.

Was ist die "soziale Mitte"?

Im nächsten Abschnitt schreibt Radtke:

"Wir haben in den vergangenen Jahren die soziale Mitte vernachlässigt. Mindestlohn oder Grundrente, beides wichtige soziale Eckpfeiler in der Gesetzgebung der letzten Jahre, werden von der Union stiefmütterlich behandelt."

Jein. Auch hier zeigt sich ein Widerspruch: Einerseits hat sich die CDU unter Angela Merkel durchaus in die "Mitte" bewegt – besser gesagt, an die Positionen von SPD und Grünen bei den Themen Flüchtlings- oder Klimaproblematik angepasst. Anderseits stand die soziale Frage für Merkel nie im Vordergrund. Hartz IV ist nach wie vor eine traurige Lachnummer, und Mittelstand und Arbeitnehmer werden mit den höchsten Steuern und Strompreisen weltweit belastet.

Gerade vor diesem Hintergrund wirkte das Einfordern von "Solidarität" in der Corona-Krise wie eine Farce – zumal die Rechnung dafür gerade auf dem Tisch liegt: Durch das (un-)bewusste Runterfahren der Wirtschaft in Form von Rekordinflation werden Verbraucher und Sparer noch mehr belastet – während der hochverschuldete Staat davon profitiert. 

Die CDU sollte also dringend ihr wirtschaftliches Profil wieder stärken und die Leistungsträger, die wegen Demographie, Auswanderung und der immer schlechter werdenden Bildung noch weniger werden, finanziell ent- statt belasten. 

Kein "Ruck nach rechts"?

Im letzten Abschnitt sieht Radke nicht die Notwendigkeit verprellte CDU Wähler, die nun bei der AfD gelandet sind, wieder zurückzuholen:

"Die CDU braucht keinen Ruck nach rechts. Das Modell Sebastian Kurz, für nicht wenige in der CDU über Jahre ein politisches Vorbild, scheint gerade rechtzeitig an die Grenzen von Rechtsstaat und politischer Hygiene zu stoßen, um endgültig als Blaupause für die Unionspartei auszuscheiden."

Schon der Ansatz, Sebastian Kurz – der bereits mit SPÖ, FPÖ und Grünen koalierte und, je nach Sichtweise, als machtbesessen, opportunistisch oder politisch flexibel einzuschätzen ist – als "rechts" einzustufen, erscheint hier als der völlig falsch Maßstab. Und auch die folgende Einschätzung Radtkes geht an der Realität vorbei:

"Am rechten Rand ist für die CDU nichts zu gewinnen. In einer nachhaltig veränderten Parteienlandschaft, in einer modernen, individualisierten und heterogenen Gesellschaft kann die Union nur in der Mitte erfolgreich sein."

Radtke erklärt wieder nicht, was diese "Mitte" überhaupt sein soll. Gibt es diese überhaupt bzw. hat es sie jemals gegeben? Viel eher hat doch die CDU unter Merkel dazu beigetragen, dass sich in Deutschland mittlerweile – ähnlich wie in den USA – zwei Lager gegenüberstehen, die sich nichts mehr zu sagen haben.

Diese sind nicht einfach in "rechts" und "links" zu unterscheiden, sondern stehen sich unversöhnlich zu den großen globalen Agenden unserer Zeit gegenüber. Flüchtlings-, Corona- und Klimakrise. Dazu kommt die Spaltung zwischen Ost- und Westdeutschen, die besonders in der Generation Ü30 keinesfalls überwunden ist.

All diese Brüche muss sich eine alternativlos agierende Merkel-CDU als traurige Bilanz auf die Fahnen schreiben lassen – und sollte sich nun endlich daran machen, diese zu kitten. Aber vermutlich ist es dafür zu spät – wie die Analyse von Radtke beispielhaft aufzeigt.

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