Online-Plattformen wie Facebook geraten zunehmend ins Visier der Politik. So will die geschäftsführende Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) Facebook nach den jüngsten Enthüllungen über dort übliche Geschäftspraktiken "engere Zügel" anlegen. Das berichtete das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) am Donnerstag.
"Die jüngsten Enthüllungen um Facebook belegen, wie dringend wir in Europa eine starke und wirkungsvolle Regulierung sozialer Netzwerke brauchen", wurde Lambrecht zitiert. Sie warf den Plattformen vor, mit ihren Algorithmen Hass und Hetze zu verstärken sowie politische und gesellschaftliche Fehlentwicklungen zu fördern. Appelle an Verantwortungsbewusstsein und Selbstregulierung der Netzwerke wären erfolglos.
Die Ministerin beklagte laut RND, dass "Profitinteressen im Zweifel über gesellschaftliche Verantwortung gestellt werden". Das sei angesichts der Marktmacht und der gesellschaftlichen Relevanz der großen Tech-Konzerne "nicht hinnehmbar." Deshalb hält es Lambrecht für "wichtig, Facebook & Co. Zügel anzulegen und diese stramm anzuziehen".
Wurzel des Übels
Dem Bericht nach verwies die SPD-Politikerin auf den Entwurf für einen sogenannten "Digital Services Act" (DSA) der EU-Kommission. Der sehe unter anderem die Einhaltung besonderer Sorgfaltspflichten durch sehr große Online-Plattformen vor. Diese würden dazu verpflichtet, mindestens einmal jährlich eine Risikobewertung vorzunehmen und Maßnahmen zur Risikominderung zu ergreifen.
Lambrecht geht das laut RND noch nicht weit genug: "Eine Wurzel des Übels ist, dass die Onlineplattformen personalisierte Werbung anwenden und sich dabei auf das Modell der Aufmerksamkeitsökonomie stützen, das die jetzt festgestellten Auswüchse hervorbringt. Wir wollen, dass die Nutzerinnen und Nutzer die Dienste auch ohne personalisierte Werbung nutzen können und dass personalisierte Werbung gegenüber Minderjährigen verboten ist."
Facebook ist nach Vorwürfen einer ehemaligen Mitarbeiterin sowie – unabhängig davon – nach einem stundenlangen Ausfall seiner Dienste jüngst unter erheblichen Druck geraten. Der Whistleblowerin Frances Haugen hatte kürzlich gegenüber dem US-Senat erklärt, der Konzern stelle Profite über die Sicherheit und das Wohlbefinden seiner Nutzer. Facebook-Chef Mark Zuckerberg widersprach laut Medienberichten. "Das ist einfach nicht wahr", habe er in einer E-Mail an die Mitarbeiter des Konzerns erklärt.
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