Nord Stream ist aktuell die längste Unterwasserrohrleitung der Welt. Sie hat eine Länge von 1.225 Kilometern und verläuft vom russischen Wyborg bis zur deutschen Küste. Nord Stream 1 und 2 bestehen jeweils aus zwei Strängen. Sie verbinden die Gasfelder in der Barentssee direkt mit dem Absatzmarkt in Deutschland.
Vor wenigen Tagen, am 7. September 2021, wurde trotz aller Widrigkeiten das letzte Rohr von Nord Stream 2 verlegt. Seit dem 10. September gilt das Projekt offiziell als abgeschlossen. Rund 200.000 Rohre wurden für den Bau von Nord Stream 2 produziert. Sie kamen aus Deutschland, Russland und Japan und wogen zusammen rund 4,6 Millionen Tonnen – das entspricht dem sechsfachen Gewicht der Golden Gate Bridge.
Bis das Gas endlich fließt, kann es aber noch dauern. Es ist noch ungeklärt, wie eine Richtlinie der Europäischen Union (EU), die praktisch zur Verhinderung von Nord Stream 2 beschlossen wurde, umgesetzt werden kann. Die Richtlinie sieht vor, dass ein Gaslieferant nicht gleichzeitig für die Infrastruktur, sprich die Gasleitung, zuständig sein darf. Hier heißt es erneut warten.
Fast von Beginn an konnte man sich nicht sicher sein, ob die zweite Erdgasleitung, die parallel zur ersten verläuft, fertiggestellt werden würde. Eine Menge Gegner meldeten sich zu Wort und warnten vor den Risiken, die sie für Deutschland und Europa sahen. Die jahrelangen Widerstände, die es von Anfang an gegen Nord Stream 2 gegeben hatte, bestanden auch schon gegen seinen Vorgänger, Nord Stream 1. Im Fall von Nord Stream 2 erreichten sie eine dennoch neue Stufe in der Heftigkeit. Die deutsche Bundesregierung wurde mehrfach aufgefordert, das Projekt auf den letzten Metern noch zu stoppen.
So hatte es stets Sicherheitsbedenken der EU, mehrerer EU-Mitgliedsstaaten, der Ukraine und der USA gegeben. Sie alle hatten sich gegen Russland und eine Gasleitung direkt aus Russland nach Deutschland unter Umgehung Polens und der Ukraine gewandt. Das häufig vorgetragene Argument lautete, dass mehr Gas aus Russland mehr Abhängigkeit von Russland bedeute und Russland mehr Handlungsraum gebe, mit allen Konsequenzen für seine Nachbarstaaten.
Vernachlässigt wird hierbei in der Regel, dass es eine gegenseitig Abhängigkeit ist. 2020 lag der Marktanteil Russlands an den Gasimporten der EU rund 37 Prozent. Schwerer könnte für Polen und die Ukraine wiegen, dass sie als Transitländer für russisches Gas nach und nach wegfielen.
Mit zunehmender Spannung in der Umwelt- und Klimadebatte wurde zudem immer häufiger Erdgas als fossiler Energieträger kritisiert. Dabei sind bei vollständiger Verbrennung von Erdgas die Kohlendioxidemissionen bei gleichem Energiegewinn ungefähr 40 Prozent geringer als bei Steinkohle und sogar 50 Prozent geringer als bei Braunkohle.
Diese für Deutschland wichtigsten Gasadern verlaufen mit der Erdgasleitung Jamal durch Weißrussland und Polen und mit den Leitungen Bratstwo (Bruderschaft) und Sojus (Union) durch die Ukraine, die Slowakei und Tschechien. Für den Erdgasanbieter Russland haben Transitländer dagegen mehrere Nachteile, von denen Transitgebühren nur einer sind, wie der russisch-ukrainische Erdgasstreit gezeigt hat. Dennoch floss durch diese Leitungen jahrzehntelang zuverlässig sibirisches Erdgas nach Europa.
Gegenüber den alten Erdgasleitungen hatte Nord Stream mehrere Vorteile, besonders für den Transport von Gas nach Deutschland. Erstens ist die Leitung ungefähr 2.100 Kilometer kürzer, besonders bei Gas, das von den Feldern im Norden Russlands kommt. Zweitens entfallen die Durchfuhrländer, die damit verbundenen Transitgebühren sowie die möglichen politischen Spannungen, die sich negativ auf die Lieferungen in die EU auswirken können, wie die Vergangenheit bereits gezeigt hat. Drittens kann durch Nord Stream 1 und 2 mehr Erdgas die EU erreichen. Insbesondere aus der Sicht Deutschlands ist das wichtig, um den politisch vereinbarten Ausstieg aus dem Kohle- und Atomstromerzeugung einzuhalten und für die Übergangszeit einen Ersatzenergieträger mit einer besseren Emissionsbilanz zu haben.
Denn Nord Stream 2 verdoppelt noch einmal die Kapazitäten des Gastransits durch die Ostsee. Man könnte auch sagen: Nord Stream 2 ist noch einmal das Gleiche wie Nord Stream 1. Während des ganzen Streits um Nord Stream 2 ging es also um ein Projekt, das es in der Form bereits gegeben hatte. Es ging lediglich um den Transport zusätzlicher Gasmengen, bei dem bestimmte Analysten davon ausgingen, dass er in Europa aufgrund der eigenen sinkenden Gasproduktion künftig nötig sein werde. Umstritten war nur, ob nicht auch der Verbrauch weiter sinken wird, wie es die Klimaziele der Politik vorsehen. Besonders in diesem Punkt stellten Gegner von Nord Stream 2 die Rentabilität des Projekts in Frage.
Es bleibt daher erstaunlich, dass jahrelang um die Frage gerungen wurde, ob Nord Stream 2 gestoppt, eingestellt oder doch fortgesetzt werden sollte. Wie sind die lautstark vorgetragenen Proteste zu erklären? Entgegen der häufigen Darstellung ist es nicht bloß ein Projekt Deutschlands und Russlands. Aufgrund der ausschließlichen Wirtschafszonen (200 Kilometer des Meeres vor der Küste), durch die die Gasleitung verläuft, sind noch drei weitere Staaten beteiligt: Schweden, Finnland und Dänemark. Sie alle haben die Genehmigungsfähigkeit des Projekts geprüft und am Ende bejaht. Alle drei Staaten konnten Einfluss auf den Bau der Leitung nehmen – und haben ihm doch zugestimmt. Daraus lässt sich schließen, dass Nord Stream 1 und 2 alle Auflagen zufriedenstellend erfüllen konnten. Die Fertigstellung von Nord Stream 2 sollte man daher zum Anlass nehmen, zurückzublicken und sich die wichtigsten Ereignisse des Bauvorhabens in Erinnerung zu rufen.
Die Ausgangslage 2005
Deutschland ist ein Gasimportland. Der Verbrauch ist hoch, die heimische Produktion unbedeutend. Wirtschaftlich und politisch verlässliche Partner, die ihr Gas nach Deutschland exportieren, sind unerlässlich, solange der Bedarf vorhanden ist. In Europa kommen da nicht viele Länder in Frage. Bislang sind Norwegen, Großbritannien und die Niederlande wichtige europäische Erdgasförderländer. Doch an die Erdgasvorkommen Russlands reichen die europäischen nicht heran. Es ist absehbar, dass die Fördermenge künftig abnehmen wird.
Den Erdgasimport aus Russland zu vertiefen, ist da nur logisch. Ein erster Vorschlag, eine Gasleitung durch die Ostsee zu bauen, geht auf das Jahr 1995 zurück. Erste Machbarkeitsanalysen wurden seit 1997 durchgeführt, damals noch von einer finnischen Firma. Zu Beginn wurde die Planung zum Bau einer Ostseeröhre sogar von der EU unterstützt. Im Jahr 2000 erhielt das Projekt eine vorrangige Stellung im Programm "Transeuropäische Netze", das die Entwicklung des EU-Binnenmarkts verfolgt.
Im Juli 2004 unterzeichneten das russische Unternehmen Gazprom, das deutsche Unternehmen E.ON Ruhrgas und die BASF-Tochter Wintershall (heute: Wintershall Dea) eine gemeinsame Absichtserklärung über den Bau der Erdgasleitung. Knapp ein Jahr später wurde die Erklärung der Konzerne auch von der Politik bestätigt. Am 11. April 2005 wohnten der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Russlands Präsident Wladimir Putin der Formalisierung bei. Man beschloss, eine Betreibergesellschaft in der Schweiz zu gründen, an der Gazprom 51 Prozent halten würde. Am 8. September 2005 unterzeichneten die drei Konzerne eine Grundsatzvereinbarung, erneut unter der Aufsicht Schröders und Putins. Schon im Dezember desselben Jahres wurden der Bau der Erdgasleitung in Russland begonnen. Bald darauf folgte auch die Baugenehmigung aus Deutschland.
Im selben Zeitraum spitzte sich erstmals der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine zu. Der Anlass war – kurz gefasst – die Weigerung der ukrainischen Regierung, russisches Gas zum Weltmarktpreis zu beziehen. Kompromisse, die die russische Regierung vorgeschlagen hatte, wurden abgelehnt. Die Ukraine profitierte lange davon, dass sie russisches Gas zu Sonderkonditionen kaufen konnte. So war der Preis für Gas zeitweise niedriger als für die Russen selbst. Bis zu 80 Prozent des russischen Gases, das für Europa bestimmt war, wurde durch die Gasleitungen der Ukraine geleitet.
Als Russland seine Drohungen wahrmachte und die Gaslieferungen an die Ukraine zeitweise aussetzte, nutzte die Ukraine die Abhängigkeit Russlands vom ukrainischen Transitsystem und behielt einen Teil des für Europa bestimmten Gases für sich ein. Dieses Szenario wiederholte sich bis 2014 mehrfach unter ähnlichen Umständen. Nicht nur litt darunter Russlands Ruf als Erdgaslieferant Europas. Besonders litten die Staaten Südosteuropas unter der ukrainischen Gasblockade. In Bulgarien mussten im Winter 2008/2009 sogar Schulen geschlossen werden, Brennholz und Kohle wurden zu Mangelware.
Weil die Ukraine ihre Rechnungen nicht beglichen hatte, sollte die Versorgungssicherheit eines ganzen Kontinents in Gefahr geraten? Angesichts der angespannten Beziehung zur Ukraine scheint es folgerichtig, dass Russland seinen Erdgasexport mit der Zeit diversifizierte und Wege suchte, die Transitländer zu umgehen. Die EU nahm ihrerseits die Lieferengpässe, die sich infolge des Gasstreits kurzzeitig ergaben, zum Anlass, unter dem Stichwort Diversifizierung Überlegungen zu einer eigenen Energieaußenpolitik zu beschleunigen.
2010–2012: Bau von Nord Stream 1 und Kritik
Gegen Nord Stream 1 (damals einfach Nord Stream) protestierten von Anfang an mehrere EU-Staaten, die erst 2004 der Union beigetreten waren: Polen, Litauen, Lettland und Estland. Da sie nicht oder weniger über Erdgasleitungen beliefert wurden, die durch die Ukraine führten, fiel es ihnen leicht, das Projekt pauschal zu verwerfen. Russland warfen sie vor, die EU spalten zu wollen, und Deutschland beschuldigte man, ihre Interessen außer Acht zu lassen. Der damalige Verteidigungsminister Polens, Radosław Sikorski, verglich den deutsch-russischen Vertrag sogar mit dem Hitler-Stalin-Pakt. In Schweden wurde frühzeitig auf mögliche ökologische Schäden hingewiesen. Ebenso wurden Bedenken geäußert, dass Russland die Infrastruktur von Nord Stream für Spionagezwecke missbrauchen könnte. Die USA mischten ebenfalls von Anfang an in europäische Angelegenheiten ein: So forderte der damalige US-Botschafter in Schweden in einem Artikel in der Tageszeitung Svenska Dagbladet die Regierung Schwedens auf: "Sagt Nein zu Russlands unsicherer Energie!"
Dennoch gaben die Regierungen Finnlands und Schwedens im November 2009 die Erlaubnis zum Bau durch ihre ausschließlichen Wirtschaftszonen. Am 6. April 2010 wurde das erste Rohr verlegt. Am 8. November weihten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Dmitri Medwedew den ersten Strang von Nord Stream ein. Ein Jahr später wurde auch durch den zweiten Strang das Gas von Russland nach Deutschland gepumpt – 1.225 Kilometer von Wyborg nach Lubmin bei Greifswald.
Es gab aber auch Befürworter des Projekts: Der damalige Vorsitzenden des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft Eckard Cordes sprach damals zum Anlass der Inbetriebnahme der Leitung von einem "Meilenstein für die deutsch-russischen Beziehungen und die europäische Zusammenarbeit". Schon 2013 begann die Planung für eine parallel geführte, zweite Gasleitung.
2018–2020: Vollständige Politisierung von Nord Stream 2
Dass Nord Stream 1 gelungen war, und das in so kurzer Zeit, war eine große Sensation. Nord Stream 2 versprach, an die Erfolge von Nord Stream 1 anzuknüpfen, sowie bezahlbare Preise, nachhaltige Energieversorgung, verbesserte Wettbewerbsfähigkeit und die Unterstützung der klimafreundlichen Energiewende.
Während sich das russisch-westliche Verhältnis schon zuvor merklich abzukühlen begonnen hatte, stellte die Ukraine-Krise 2014 einen vorläufigen Tiefpunkt der Beziehungen dar, was sich auch auf Nord Stream 2 auswirkte. So stellte der langjährige Botschafter und Jurist Frank Elbe rückblickend fest, dass Nord Stream 2 seit der Ukraine-Krise ein politisches Projekt geworden war. Da half es auch nicht, dass Berlin und Moskau stets beteuerten, dass es sich bei Nord Stream 2 um ein rein wirtschaftliches Projekt handelte. Elbe führte die sich verstärkende Verhinderungspolitik der USA auch auf kommerzielle Interessen zurück. Fest stand aber auch, dass Washington bestrebt war, ein engeres Bündnis Russlands und Deutschlands zu verhindern. Ohne Belege behaupteten die USA, dass Russland Nord Stream 2 als Druckmittel einsetzen könnte.
Auf russischer Seite verwies man hingegen darauf, dass man selbst zu Zeiten des Kalten Krieges stets zuverlässig Gas an Europa geliefert hatte. Auch die vorgebrachten Sicherheitsinteressen der Ukraine und Polens wurden angeführt. Sie waren aber schon in Bezug auf Nord Stream 1 fragwürdig gewesen. Denn aus vermeintlichen Sicherheitsinteressen lässt sich kaum das Recht ableiten, als Transitland in Frage zu kommen und Transitgebühren zu erheben. Interessanterweise war es Präsident Donald Trump, der in seiner Amtszeit besonders rabiat gegen das deutsch-russische Projekt vorging. Schließlich wird ihm aus bestimmten Kreisen bis heute vorgeworfen, durch russische Wahlmanipulation in sein Amt gekommen zu sein.
Die wirtschaftliche Sicht auf Nord Stream 2 und der Nutzen für Europa schien gegenüber der vermeintlichen Bedrohung durch Russland eine untergeordnete Rolle zu spielen. Zumindest Gazprom ging in seinen Berechnungen davon aus, und das natürlich nicht ohne Eigennutz, dass der Gasbedarf in der EU für die nächsten 20 Jahre stabil bleiben wird. Gleichzeitig nähme die Erdgasproduktion in Europa um die Hälfte ab. Bislang ist neben Russland Norwegen ein Hauptlieferant in Europa. Aber auch britisches und niederländisches Gas sind derzeit für den europäischen Markt noch wichtig. Die Produktion aus dem niederländischen Gasfeld Groningen wurde bereits deutlich reduziert und teilweise gestoppt. Dies stimmt mit der Analyse von Gazprom überein.
In Deutschland ging man davon aus, dass der Gasbedarf mittelfristig steigen wird, um die Energieproduktion in Kohle- und Kernkraftwerken zu verringern. Bis 2045 wurde aber für das Land Treibhausneutralität festgelegt, was bedeutet, dass auf fossile Energieträger, zu denen auch Erdgas gehört, weitgehend verzichtet werden muss. In diesem Zusammenhang wurde Erdgas in Deutschland immer wieder als sogenannte "Brückentechnologie" im Gespräch gehalten, die "sauberer" als Kohle oder Kernkraft ist.
Da sich die Sicht auf Erdgas als Brückentechnologie durchsetzen konnte und die Regierungspolitik unter Merkel an ihrer Position festhielt, wonach Nord Stream 2 ein rein wirtschaftliches Projekt ist, konnte mit dem Bau im Mai 2018 begonnen werden. Zwischen Usta-Luga in Russland und Lubmin in Deutschland flössen so insgesamt noch einmal 55 Milliarden Kubikmeter mehr Gas pro Jahr, mehr als die Hälfte des jährlichen Erdgasverbrauchs Deutschlands.
Ursprünglich sollte die zwei neuen Rohrleitungen von Nord Stream 2 bis Ende 2019 fertiggestellt werden. Doch wie schon bei Nord Stream 1 schalteten sich die USA ein. In Briefen wandte sich US-Botschafter Richard Grenell an deutsche Unternehmen und warnte sie vor Sanktionen durch die USA, sollten sie sich weiterhin an dem Projekt beteiligen. Er argumentierte:
"Im Ergebnis untergraben Firmen, die den Bau beider Pipelines unterstützen, aktiv die Sicherheit der Ukraine und Europas."
Im April hatte zudem der EU-Politiker Manfred Weber (EVP) angekündigt, dass er die Rohrleitung auf jeden Fall verhindern werde, wenn er zum Präsident der EU-Kommission gewählt würde.
Als am 30. Oktober 2019 Dänemark den Bau der Leitungen durch seine ausschließliche Wirtschaftszone erlaubte, waren alle nötigen Genehmigungen erteilt. Im Dezember 2019 stieg aber das Schweizer Unternehmen Allseas, das Schiffe zur Verlegung der Rohre unter Wasser stellte, aus dem Projekt aus – aufgrund von Sanktionsandrohungen der USA. Am 20. Dezember 2019 hatte Trump die Sanktionen per Unterschrift in Gang gesetzt. Wenigstens weitere 18 Unternehmen beugten sich ebenfalls dem Sanktionsdruck durch die USA. Zu diesem Zeitpunkt fehlten noch 150 Kilometer bis zur Fertigstellung. Erst ein Jahr später, am 5. Dezember 2020, konnten die fehlenden Schweizer Schiffe durch die russische Akademik Cherskiy ersetzt werden. Unterdessen klagte im August 2020 die Deutsche Umwelthilfe gegen Nord Stream 2, das sie einen "klimapolitischen Irrweg" nannte.
2021: Fertigstellung allen Widerständen zum Trotz
Während des starken Widerstands gegen Nord Stream 2 hatte das Projekt auch stets Befürworter gehabt, etwa die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns Manuela Schwesig (SPD) und ihre Koalition im Landtag. Schwesigs Energieminister Christian Pegel (SPD) sprach sogar von einer "Renaissance der deutsch-russischen Beziehungen". Zu den Sanktionen gegen Russland hielt er aber fest, dass die Traditionen, die seit der DDR fortbestanden hatten, im Westen, in der EU und den USA ignoriert wurden. Sie hätten in den Wirtschaftsbeziehungen bereits so großen Schaden angerichtet, dass sie schon nicht mehr umkehrbar seien.
Als wichtigster Unterstützer des deutsch-russischen Projekts muss am Ende aber die deutsche Kanzlerin gelten. In einer Rede vor dem EU-Parlament 2018 verteidigte Merkel die Energieinteressen Deutschlands vor den Vertretern der Mitgliedsstaaten: Russland als Gaslieferant könne man nicht ausschließen, lautete ihr Urteil. Gleichzeitig betonte Merkel, dass sie sich dafür einsetzen wolle, die Ukraine als Transitland für russisches Gas zu erhalten. Merkel kündigte auch an, dass man in Deutschland eine Annahmestelle für Flüssigerdgas bauen werde, um Schiefergas aus den USA anzunehmen.
Um den lauter werdenden Kritikern von Nord Stream 2 zu begegnen, die Umweltfaktoren ins Feld führten, beschloss der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern im Januar 2021 die Gründung der Stiftung Klima- und Umweltschutz. Im selben Monat wurde erneut der Stopp des Projekts gefordert, dieses Mal im EU-Parlament. Als Begründung wurde die Verhaftung des Oppositionspolitikers Alexei Nawalny angeführt.
Im Februar 2021 fehlten in dänischen Gewässern noch 28 Kilometer, in deutschen Gewässern noch 120 Kilometer. Aufgrund des kalten Wetters musste man den Bau erneut unterbrechen. Anfang April beschwerte sich der russische Bauleiter über riskante Manöver, die die polnische Marine nahe der Bauarbeiten durchgeführt hatte. Im Juni wurde schließlich der erste Strang fertiggestellt. Am 7. September wurde auch das letzte Rohr des zweiten Strangs von Nord Stream 2 verlegt. Seit dem 10. September 2021 gilt das Projekt offiziell als abgeschlossen.
Damit können Deutschland und Russland auf eine wirtschaftliche Tradition im Gashandel zurückblicken, die bereits Jahrzehnte anhält. Im Jahr 1969 wurde das sogenannte Gas-Röhren-Abkommen geschlossen. Die Frage ist nun, ob es eine ebenso feierliche Eröffnung geben wird wie noch für Nord Stream 1.
Fazit
Älter noch als die deutsch-russische Kooperation auf dem Gebiet des Gashandels sind übrigens die Versuche der USA, den deutsch-russischen Gashandel zu unterbinden. In den 1950er-Jahren setzten die USA gegen das deutsch-sowjetische Erdgasgeschäft das sogenannte Röhren-Embargo in Kraft. In Anbetracht der beachtlichen Widerstands, den Nord Stream 2 erlebt hat, mehr noch als Nord Stream 1, gegen das keine Sanktionen erlassen worden waren, ist es genauso beachtlich, dass das Projekt letztlich doch erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Wie konnte es dennoch gelingen?
Man kommt nicht umhin, den Einsatz der Bundesregierungen unter Schröder und Merkel zu nennen. Hinzu kam, dass die Deutschen selbst dem deutsch-russischen Projekt stets positiv gegenüberstanden. Als Drittes ist der selten beachtete, aber unbedingt hervorzuhebende Umgang Russlands mit der Situation zu erwähnen, der sich durch Geduld und Beharrlichkeit hinsichtlich zahlreicher wirtschaftlicher, ökologischer und rechtlicher Bedingungen von mehreren Ländern auszeichnete. Und nicht zuletzt unterscheidet sich das heutige Russland von der früheren Sowjetunion mitunter darin, dass man zu Sowjetzeiten technologisch nicht in der Lage war, seine eigenen Gasröhren zu bauen. Das hat sich trotz der Sanktionen mittlerweile geändert.
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