Seit Wochen stockt die Impfkampagne der Bundesregierung. Aktuell gelten 62,2 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung als geimpft. Für die Erreichung der Herdenimmunität ist das bei Weitem nicht genug. Die dafür zu erreichende Impfquote liegt mittlerweile bei mindestens 85 Prozent. Nun geht es erneut darum, eine mutmaßliche Überlastung der Intensivstationen zu verhindern, diesmal angesichts der ausgerufenen "vierten Welle".
Nach der nach eigenem Verständnis nicht ausreichend erfolgreichen PR-Aktion #ÄrmelHoch soll die Impfkampagne nun frischen Wind erhalten. Am Montag startete unter dem Motto #HierWirdGeimpft die angekündigte "Aktionswoche", um noch nicht geimpfte Menschen von deren Notwendigkeit zu überzeugen. Noch gezielter will man auf die Menschen zugehen, entsprechende Impfangebote sollen noch niedrigschwelliger werden. So will man etwa bei der Impfung verstärkt auf "mobile Teams" setzen. Wie Gesundheitsminister Jens Spahn WDR 5 erklärte, handele es sich bei der Aktion um eine "gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen".
"Ich bin superdankbar für die vielen kreativen Ansätze."
An Hunderten alltäglich besuchten Orten können sich die Bürger nun gegen Corona impfen lassen. Ein Termin ist meist unnötig. Die Liste der Woche umfasse an die 700 Aktionen, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin: "Die Zahl wächst ständig weiter."
Spahn äußerte gegenüber dem Radiosender die Ansicht, dass es dringend geboten sei, mehr Menschen von den Corona-Vakzinen zu überzeugen, um sicherer durch Herbst und Winter zu kommen. Es gelte, sich auf eine erneute Corona-Welle mit der Deltavariante vorzubereiten.
"Es gibt immer noch diejenigen, die eigentlich gar nichts gegen das Impfen haben, die vielleicht sogar schon mal einen Termin hatten, den haben sie verpasst, und sie haben sich einfach keinen neuen gemacht."
Im Supermarkt, im Baumarkt, im Zoo oder auch auf dem Herbstfest des Heimatvereins nähmen die Menschen dann die Möglichkeit wahr.
Was die Impfquote anbelangt, strebt die Regierung bei den Über-60-Jährigen eine Quote von über 90 Prozent an, bei den Zwölf- bis 59-Jährigen von 75 Prozent, wie Spahn in der vergangenen Woche gesagt hatte. Nötig seien dafür noch rund fünf Millionen Impfungen. Seibert stellte klar, dass es keine konkrete Zielzahl für diese Woche gebe: "Aber wir wissen: Jede weitere Impfung zählt."
Laut dem Gesundheitsminister gilt es jedoch zu verhindern, dass Spannungen zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften zu einer gesellschaftlichen Spaltung führe. Dies gelte es durch "Gespräche" zu verhindern.
"Ich rede jeden Tag, ich diskutiere jeden Tag", erklärte Spahn hinsichtlich eines von Beobachtern kritisierten steigenden Impfdrucks.
"Ich stimme absolut zu. Wir erleben Spannungen, auf Arbeit, in der Nachbarschaft, manchmal sogar in der Familie zwischen Geimpften und Nichtgeimpften. Es ist wichtig, dass aus Spannungen nicht Spaltungen werden, dass wir im Gespräch miteinander sind."
Er selbst führe zudem so manche kontroverse Diskussion. Dies sogar "mit Pflegekräften, die sich nicht impfen lassen wollen". Für ihn gehöre die Impfung allerdings zum "Berufsverständnis eigentlich dazu".
Laut Spahn ist es völlig legitim, sich gegen eine Corona-Impfung zu entscheiden. Es sei die eigene Entscheidung, ob man sich impfen lasse. Sollte man sich jedoch dagegen entscheiden, müsse man "bereit sein, bestimmte Konsequenzen zu tragen".
"Wir reden hier ja nicht über jemanden, der krank ist. Bei kranken Menschen fragen wir nie, warum jemand krank ist. Und das muss auch so bleiben. Dafür werde ich als Bundesminister für Gesundheit immer kämpfen."
Es sei allerdings völlig unverständlich, warum andere dafür aufkommen sollten, wenn etwa ein Impfunwilliger in Quarantäne müsse – wenn es sich doch um die eigene und persönliche Entscheidung gehandelt habe, sich nicht impfen zu lassen. Hintergrund ist, dass immer mehr Bundesländer Ungeimpften in Quarantäne die Lohnfortzahlung verweigern.
"Warum sollen alle anderen für jemanden, der sich nicht impfen lassen möchte, zahlen?"
Es könne auch nicht angehen, dass "alle anderen" für den entsprechenden Test zahlen sollten, wenn ein Ungeimpfter ins Restaurant wolle. Zur Freiheit gehöre auch, dass nicht andere mögliche Folgen zu tragen hätten. 95 Prozent der COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen seien ungeimpft, weiß Spahn aus Gesprächen mit Pflegekräften zu berichten.
Der CDU-Politiker verteidigte zudem, dass die Impfzentren Ende September überwiegend schließen. Jetzt gelte es, Impfangebote auf den Markt-, Spiel- oder Sportplätzen sowie am Arbeitsplatz zu machen.
Mehr zum Thema - "Pandemie der Ungeimpften"? Auch nach "2G"-Party in Münster mindestens 26 positiv Getestete