Wie inhaltsleer ist der Bundestagswahlkampf 2021? "Bislang gab es tatsächlich wenig Inhalte", meint Werner Patzelt, emeritierter Professor für Politikwissenschaften an der TU Dresden. Dennoch ist er guter Hoffnung, dass sich in dieser Richtung bis zum Wahltag am 26. September noch etwas tut. Unter anderem sei bei dem sogenannten Triell der Kanzlerkandidaten das Thema einer möglichen Koalition mit der Linkspartei aufgekommen; dies sei durchaus ein gewichtiger Inhalt. Ansonsten, diagnostiziert Patzelt, habe man sich von vielen strittigen Themen ferngehalten. Und weiter:
"Zum einen ist das Flüchtlings- und Migrationsthema unbedingt aus dem Wahlkampf herauszuhalten gewesen, weil es eine unerwünschte Partei hätte stärken können, gerade jetzt in Verbindung mit den Ereignissen in Afghanistan. Folglich muss das überblendet werden durch das Klimathema, was mit großem Erfolg gelungen ist."
Aber hier dürfe man dann auch nicht allzu sehr ins Kleingedruckte gehen: Was sind denn dann die ökonomischen Konsequenzen für den Einzelnen, wenn Klimapolitik in der ehrgeizigsten Form durchgezogen wird?, fragt der Politikwissenschaftler. Das sei wohl einer der Gründe, warum viele Themen, die den Menschen auf den Nägeln brennen, nicht angesprochen würden. Bei anderen Themen habe die politische Klasse keine Antworten.
Ein weiterer Grund für die von Patzelt diagnostizierte Inhaltsleere sei die wackelige politische Stimmung: Sie führe dazu, dass die Parteien keinen falschen Argumentationszug machen wollen – und sich stattdessen auf mögliche Fehltritte der jeweils anderen Spitzenkandidaten kaprizieren. Zu beobachten sei insgesamt eine Personalisierung des Wahlkampfes, was bedeute, dass vor allem die Spitzenkräfte der Parteien und weniger die Parteien und ihre Inhalte selbst im Fokus stehen.
In einem solchen "bildstarken" Wahlkampf fielen dann, so Patzelt, Bilder wie die des bei einer Rede des Bundespräsidenten vor Flutopfern im Hintergrund lachenden CDU-Spitzenkandidaten Armin Laschet besonders ins Gewicht. Es sei aber auch eine Art "politischer Infantilisierung" zu beobachten: Harten, kritischen Themen werde ausgewichen, an deren Stelle trete entweder die Moralisierung oder die Ikonisierung – die Verbildlichung, bei der an Bildern alles Mögliche aufgehängt werde.
Das Problem, so Patzelt, sei, dass es an echter Auseinandersetzung mit politischen Themen fehle. Die meisten Menschen verblieben in ihrer "Meinungsblase", ein rationales Abwägen des Für und Wider gebe es kaum mehr. Wichtigstes Gegenmittel ist laut Patzelt das Vorleben guter Praxis: Menschen, die in den Medien präsent sind oder die Medienlandschaft mitgestalten, sollten die sachliche Diskussion angemessen vorleben und von Moralisierung und Stigmatisierung im politischen Diskurs Abstand nehmen. Täten dies viele einzelne Akteure, könnte nach einigen Jahren durchaus eine Verbesserung der politischen Kultur eintreten.
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