CSU-Chef Markus Söder fordert, dass der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) nach der Bundestagswahl nicht mehr im Bundeskabinett sein sollte. Ihm wird außenpolitisches Versagen bei der Fehleinschätzung der Lage in Afghanistan vorgeworfen. Die Evakuierung der deutschen Staatsbürger und ihrer Ortskräfte wird durch das Chaos in dem Land erschwert. Maas hatte zugegeben, man habe die Lage falsch eingeschätzt. Dabei sprach er im Plural. Keiner hätte dies so vorausgesehen. Auch nicht die Partner oder die Experten.
Der Chefredakteur der Welt am Sonntag Johannes Boie sieht dies anders. Für die Versäumnisse der Politik sei Maas verantwortlich. Dadurch, dass man nun mit "Tätern" verhandeln müsse, zeige sich, wie viel im Vorlauf falsch gelaufen wäre. Die militant-islamistische Gruppe der Taliban war am Sonntag in die Hauptstadt Kabul einmarschiert, der afghanische Präsident Aschraf Ghani räumte den Präsidentenpalast und floh ins Exil.
Dabei hatten US-Sicherheitsexperten vorausgesagt, es könne bis zu drei Monate dauern, ehe die Taliban auch Kabul einnehmen würden. Die Offensive der Taliban, welche mit dem Abzug des US-Militärs begonnen wurde, ging schneller vonstatten. In dem kriegsmüden Land trafen sie auf wenig Gegenwehr.
Die Reihenfolge des Abzugs sei fatal gewesen, erklärt Boie. Zunächst hätte man seine Staatsbürger und diejenigen afghanischen Zivilisten, welche Ländern wie den USA und Deutschland geholfen hatten, evakuieren müssen und erst dann das Militär abziehen sollen. Stattdessen habe man fälschlicherweise erst das Militär abgezogen. Der US-Präsident Joe Biden hätte es besser wissen müssen. Und wer hätte es in Deutschland besser wissen müssen? Heiko Maas solle seinen Rücktritt erklären.
Maas aber plagen dieser Tage ganz andere Gedanken. Gegenüber dem Spiegel teilte der Außenminister mit:
"In den vergangenen Tagen habe ich nur an eines gedacht, nämlich aus den Fehlern, die wir alle gemacht haben, die Konsequenz zu ziehen und dafür zu sorgen, so viele Leute aus Afghanistan rauszuholen wie möglich."
Afghanistan dürfe sich nicht wiederholen. In Bezug auf die Zusammenarbeit mit den USA teilte der SPD-Politiker mit:
"Wir müssen viel politischer diskutieren, ehe wir unsere Soldaten irgendwo hinschicken. Sonst besteht die Gefahr, dass wir immer nur die Entscheidungen Washingtons nachvollziehen – egal, wer dort Präsident ist."
Am Freitagmorgen schrieb das Auswärtige Amt zur Evakuierungsmission auf Twitter:
Mehr als 1.600 Menschen habe man bereits ausgeflogen. Damit sich die noch im Land aufhaltenden Ortskräfte evakuiert werden können, verhandelt der deutsche Botschafter in Doha mit Vertretern der Taliban. Die deutsche Regierung stellte Hilfsorganisationen 100 Millionen Euro Soforthilfe für afghanische Flüchtlinge zur Verfügung.
In den Kommentaren der Tweets sind Einträge zu lesen, wonach noch immer deutsche Staatsbürger in Kabul festsäßen. Ein Eintrag vom Donnerstag lautet:
"Nordeingang zum Flughafen Kabul ist derzeit wieder geschlossen. Auch Deutsche stehen dort und kommen nicht rein. Zum Beispiel konkret: Eltern mit 2 Kindern (2 Jahre und 20 Tage). Krisenhotline von Auswärtiges Amt sagt: können nichts tun, Familie sei doch "privilegiert". Mir fehlen die Worte."
Darunter der Eintrag: "Handeln sie Heiko Maas!"
Ob Maas nach der Bundestagswahl im September noch im Kabinett sein wird? Dazu sagte er:
"Ich würde erstmal abwarten, welche Partei der nächsten Bundesregierung überhaupt angehört. Das ist ja offener als viele dachten. Und wie meine berufliche Zukunft aussieht, ist wirklich das Letzte, woran ich im Moment einen Gedanken verschwende."
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