Mit dem Beginn der Evakuierungsflüge aus Afghanistan müssen sich die Bundesländer Deutschlands darauf einstellen, mehrere Tausend Flüchtlinge kurzfristig aufzunehmen. Eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur soll zutage gebracht haben, dass allein das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen 1.800 Flüchtlinge aufzunehmen gedenkt, bei denen es sich laut Düsseldorfer Staatskanzlei um 800 afghanische Ortskräfte und 1.000 Plätze für Frauen handele. Die Ortskräfte wären in den vergangenen Jahren für Deutschland in Afghanistan tätig gewesen, bei den Frauen ging es vornehmlich um Bürgerrechtlerinnen, Künstlerinnen und Journalistinnen.
In Baden-Württemberg rechne man damit, bis zu 1.100 Ortskräfte und deren Verwandte aufzunehmen. Die Zahl würde bei bundesweit nicht mehr als 8.000 weiterer Ortskräfte aus Afghanistan jedoch überschaubar bleiben, habe es aus dem Justizministerium in Stuttgart geheißen. Weitere einzurichtende Plätze in der Erstaufnahme würden deshalb nicht notwendig werden.
In Niedersachsen würden in den Erstaufnahmeeinrichtungen zunächst mindestens 400 Unterbringungsplätze zur Verfügung gestellt. Gespräche zwischen Bund und Ländern über weitere Aufnahmen fänden aktuell statt, ließ das Innenministerium in Hannover verlauten. Bremen hatte bereits zuvor darüber Bescheid gegeben, dass man bis zu 150 Plätze für die afghanischen Ortskräfte und deren Familien anbieten wolle. Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sagte, dass es sich verbieten würde, diese Menschen nun zurückzulassen und sie damit den Taliban auszuliefern.
"Über Verteilungsschlüssel kann man später reden."
In Schleswig-Holstein würde man sich auf die Aufnahme von 300 Frauen und Kindern vorbereiten, während Hamburg allein schon angeboten habe, mindestens 200 flüchtige Afghanen unterzubringen. Die ersten Ankömmlinge würden hier schon am Mittwoch erwartet.
Ebenfalls erklärten einige bayerische Städte ihre Bereitschaft, Personen auf der Flucht vor den Taliban zu unterstützen. München wäre dazu bereit, 260 Personen ohne bürokratische Hürden aufzunehmen, und hätte dieses Angebot der Bundesregierung bereits signalisiert. Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) sprach über diese Entscheidungen. Aus Nürnberg und Regensburg gäbe es ähnliche Angebote zu vermelden. Der Bürgermeister von Erlangen, Florian Janik (SPD), sprach davon, dass seine Stadt kurzfristig zehn Familien aufnehmen könne.
Rheinland-Pfalz, Hessen, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland zeigten sich betreffend der Aufnahme afghanischer Flüchtlinge grundsätzlich aufgeschlossen, ohne jedoch konkrete Zahlen zu nennen. In Schwerin verwies man auf den üblichen Verteilungsschlüssel, wonach Mecklenburg-Vorpommern zur Aufnahme von etwa zwei Prozent der Geflüchteten verantwortlich sei.
Zu den Problemen der Verteilung gesellen sich noch logistische Hindernisse, da beispielsweise alle fünf Aufnahmeeinrichtungen in Rheinland-Pfalz bereits zur Hälfte belegt sein sollen und aufgrund der COVID-19-Pandemie eine volle Belegung unmöglich zu bewerkstelligen sei.
Etwa 400 Menschen sind laut aktuellen Meldungen bereits mit mehreren deutschen Rettungsflügen aus Afghanistan ausgeflogen worden.
Mehr zum Thema - Kanzlerin Merkel auf Pressekonferenz: Afghanistan-Einsatz "nicht so geglückt" wie gedacht