"In Beton gegossener Sozialismus!" – CDU weist Baerbock im Streit um Berliner Mauer zurecht

Die Schuld am Entstehen der Berliner Mauer wird in der offiziellen Erinnerungspolitik gewöhnlich allein der DDR zugewiesen. Am 60. Jahrestag des Mauerbaus überboten sich Politiker von Grünen und CDU im Hass auf die DDR und den Sozialismus.

Ein geschichtspolitischer Streit um die "richtige" Bezeichnung für die Berliner Mauer entflammte am 60. Jahrestag des Mauerbaus auf Twitter. Die Grünen-Chefin und -Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock erinnerte auf Twitter so an diesen Tag: "Die innerdeutsche Grenze war der in Beton gegossene Kalte Krieg." Sie fügte hinzu:

"Der Gedanke an 60 Jahre #Mauerbau und die vielen Mauertoten erfüllt mich mit Schmerz."

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hat die Formulierungen der Grünen-Kanzlerkandidatin scharf kritisiert. Er widersprach: "Nein! Die #BerlinerMauer war der in Beton gegossene Sozialismus", twitterte er in einer Reaktion. "Eine Unrechts-Regierung sperrte das eigene Volk gegen ihren Willen ein."

"'In Beton gegossener Kalter Krieg' erinnert eher an die SED-Mär vom "antifaschistischen Schutzwall'. #fail"

Auch der CDU-Politiker und langjährige Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz pflichtete Ziemak bei:

"An einem Krieg, auch an einem kalten, sind wenigstens zwei Parteien beteiligt. Den #Mauerbau und die Opfer der innerdeutschen Grenze hat allein das diktatorische SED-Regime zu verantworten."

Einige Nutzer wiesen wiederum etwas vergnügt darauf hin, dass die von Baerbock genutzte Formulierung "in Beton gegossener Kalter Krieg" offenbar einem ntv-Artikel entstammt:

Der Mauerbau: Verdrängter Hintergrund

Am 13. August 1961 hatte der Bau der Berliner Mauer begonnen, der die deutsche Teilung besiegelt hatte. Das Bollwerk war rund 155 Kilometer lang und umschloss den Westteil Berlins. 45 Kilometer lang verlief die Mauer quer durch die Stadt. Nach mehr als 28 Jahren ging die Teilung mit dem sogenannten Mauerfall am 9. November 1989 zu Ende.

Allein in Berlin wurden nach dem Mauerbau nach wissenschaftlichen Erkenntnissen mindestens 140 Menschen erschossen oder starben auf andere Weise durch das DDR-Grenzregime. Aber was sagte die DDR-Führung selbst zu den Mauertoten?

Der damalige Vorsitzender des Staatsrats der DDR Walter Ulbricht äußerte sich so:

"Jeder Schuss an der Mauer ist zugleich ein Schuss auf mich. Damit liefere ich dem Klassenfeind die beste Propagandawaffe. Den Sozialismus und damit den Frieden aufs Spiel zu setzen, würde aber unendlich mehr Leben kosten."

Auch die Ex-Generäle Heinz Kessler und Fritz Streletz äußern sich in ihrem Buch "Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben" ähnlich:

"Die Führung der DDR, wir beide eingeschlossen, hat jeden einzelnen Todesfall an der Staatsgrenze bedauert. Kein einziger war gewollt. Und nicht nur, weil dadurch der Sozialismus Schaden nahm."

Zeitzeugen aus Ulbrichts engstem Kreis berichteten, dass der Mauerbau auf Drängen der UdSSR beschlossen worden war, weil der von der DDR und der Sowjetunion angestrebte Friedensvertrag mit der Bundesrepublik, in dessen Rahmen auch der Status Westberlins hätte geklärt werden müssen, aufgrund von CIA-Provokationen nicht zustande gekommen war.

Herbert Graf war 1961 Leiter der Hauptabteilung Staatsorgane im Staatsrat der DDR und aktiv in die damaligen Ereignisse einbezogen gewesen. In einem Vortrag vor einigen Jahren hat er die Verzerrung und Emotionalisierung im Gedenken an die Berliner Mauer kritisiert (mehr dazu lesen Sie hier):

"Das vorrangige Ziel dieser seit Jahrzehnten laufenden und sich zunehmend verstärkenden Medienkampagne ist es, Ursachen und Folgen der Berliner Mauer wahrheitswidrig dem Sozialismus, der Sowjetunion und der DDR anzulasten."

Er betonte, dass die Berliner Mauer nur ein kleiner, aber der am besten sichtbare Teil einer Konfrontationslinie zwischen Ost und West war. "Das war ein Stück der gemeinsamen Verteidigungslinie des Warschauer Vertrages von Wismar bis zur Adria. Man darf ja nicht vergessen: Diese Grenzziehung zog sich ja durch ganz Europa. Wir gucken immer bloß auf die Berliner Mauer."

Es sei ein System mit vielen Aufgaben gewesen: "Ein Alarmsystem, ein Abschottungssystem, ein Fluchtverhinderungssystem. Und auf beiden Seiten wurde gelauscht, beobachtet, getrickst – das war Kalter Krieg."

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