Bequem, wirr und problemlos auszuschließen – Wie Politiker den "Ungeimpften" sehen

Wie ist der Ungeimpfte? Deutsche Politiker und Medien haben da eine klare Überzeugung: ein träger und völlig irrationaler Mensch. Befragt, würden sie natürlich betonen, dass ihnen jede Form der Menschenverachtung oder gar der Aufhetzung gegen bestimmte Gruppen fremd ist. Aber die Zitate sollen für sich selbst sprechen.

Robert Habeck, Bundesvorsitzender der Grünen:

"Die bessere Maßnahme ist diese: den [sic] inneren Schweinehund mal einen kräftigen Tritt in den Hintern zu geben, also diese Trägheit, die wahrscheinlich einen Gutteil der Menschen noch in sich hat, zu überwinden, indem man einfach sagt: Komm, hier ist das. Du kannst einfach da hingehen, du kriegst den Impfausweis und eine Spritze im [sic] Arm und fertig."

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Der "innere Schweinehund" ist eine Metapher für Disziplinlosigkeit und die Sprache, die Habeck dem imaginären ungeimpften Gegenüber anwendet, höchstens im Gespräch mit Kindern angebracht.

"Wer zu bequem ist, sich impfen zu lassen, hat mehr Unbequemlichkeit, weil er sich womöglich testen lassen muss, wenn er rein in eine Gaststätte, ins Kino oder in Theater will."

Das stammt von Dietmar Woidke, Ministerpräsident Brandenburgs. Wer sich nicht impfen lässt, hat also keine rationalen Gründe, sondern ist nur zu bequem, weshalb die Politik ihm das Leben schlicht unbequemer macht. Es gibt weder eine Überzeugung auf der Seite der Ungeimpften noch einen Versuch, sie zu überzeugen.

Ulrich Montgomery, Vorsitzender des Weltärztebundes:

"Es gibt keinen Grund, Geimpften und Immunen ihre Grundrechte weiter vorzuenthalten, nur weil ein paar ewige Skeptiker sich der Impfung entziehen."

"Ewige Skeptiker" erkennt ebenfalls jede Rationalität ab. Er hätte auch gleich "Spinner" sagen können. Ins gleiche Horn stößt auch Josef Bormann, Mitglied des Ethikrats:

"Als Impf-Verweigerer können sie nicht die gesamte Welt samt den geltenden Reglements in Haftung nehmen und erwarten, dass sie sich nach ihrer Logik richtet."

"Jemand, der geimpft ist, darf keine Nachteile haben, weil andere Menschen aus verschiedenen Gründen keine Lust haben, sich impfen zu lassen", so CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Auch "keine Lust" erklärt Impfskepsis zu einer irrationalen Haltung. Christian Lindner von der FDP fantasierte gleich von "Daumenschrauben für Ungeimpfte".

Da erstaunt es nicht, dass ein ähnlicher Tonfall auch in Pressekommentaren zu finden ist. Nur ein Beispiel aus der Süddeutschen Zeitung:

"Offenbar benötigen andere als Denkanstoß, um die eigene Trägheit zu überwinden, die versperrte Tür zum Restaurant, Konzert oder Flugzeug. Das ist keine Benachteiligung für Ungeimpfte. Vielmehr geht es nicht an, dass die geimpfte Mehrheit darunter leidet, wenn eine Minderheit zu bequem ist und es hinauszögert, sich und andere zu schützen. Ernsthaft."

Unter der Fortführung einer Menschensicht, die schon in Berichten über vermeintliche Querdenker zum Ausdruck kam, zeigt sich aber auch eine neue Strategie, die die wirklich einschneidenden Maßnahmen in den privatwirtschaftlichen Bereich verlegen will; also härtere Beschränkungen fordert, aber die eigenen Hände dabei in Unschuld waschen will. Zwei Beispiele dafür, die nur als gezielte Aufforderung gelesen werden können:

"Wir haben heute schon die Vertragsfreiheit. Und die Vertragsfreiheit lässt beispielsweise einem Gastronom [sic] selbstverständlich offen, ob er die Bewirtung in seinem Restaurant auf Geimpfte beispielsweise beschränkt."

Das stammt von Christine Lambrecht, Bundesjustizministerin. Es bereitet keine sonderliche Mühe, mindestens zehn Personengruppen aufzuzählen, deren Ausschluss per Vertragsfreiheit einen sofortigen Aufschrei nach sich ziehen würde. Diese Aussage entspricht so schlicht nicht der Rechtslage. Dafür muss man sich nur das entsprechende Schild "Kein Zutritt für Ungeimpfte" vorstellen und "Ungeimpfte" durch diverse andere Personengruppen ersetzen.

Aber Lambrecht ist nicht die Einzige. Auch der Fraktionschef der CDU Ralph Brinkhaus erklärte, das Problem der Ungeimpften werde sich im Herbst von selbst regeln, "weil Hoteliers, Clubs, Veranstalter sagen werden: Sorry, bei mir kommst du nur mit einem Test nicht mehr rein".

Es ist keine Befürchtung, dass Ungeimpfte als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Die hier gesammelten Aussagen sind ein Beleg dafür, dass dies bereits geschieht.

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