Wenn sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten am Dienstag zur Videokonferenz zusammenschalten, geht es gleich um zweifaches Krisenmanagement: Angesichts steigender Inzidenzzahlen, soll der Corona-Kurs für den Herbst geklärt werden - mit Nachjustierungen beim Impfen und Testen und Vorgaben für mögliche weitere Beschränkungen. Erklärtes Ziel: einen erneuten Lockdown abzuwenden. Zweites Krisenthema ist ein geplanter milliardenschwerer Fonds, um den Aufbau nach der Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands zu finanzieren.
Im Kampf gegen die Pandemie kommt nach längerer Pause nun also wieder die Runde der Ministerpräsidenten zusammen, die in puncto Corona-Beschränkungen zuletzt eher viel Streit und Frust verursachte. Gut sechs Wochen vor der Bundestagswahl geht es auch darum, welche Weichen jetzt mit Aussicht auf breite Akzeptanz gestellt werden können. Oder ob es doch noch einen heftigen Corona-Wahlkampf gibt.
Im Blick stehen mehrere Ansatzpunkte, wie sie auch aus einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Entwurf mit Stand von Montagabend hervorgehen - wichtige Aspekte waren demnach aber noch offen.
IMPFEN: Nach monatelangem Ärger um zu knappen Impfstoff und zu wenige Impftermine ist inzwischen beides reichlich da - wie vom Bund für den Sommer zugesagt. Nun gilt es, auch zum Schutz vor der ansteckenderen Delta-Virusvariante möglichst schnell möglichst viele noch zögernde Bürger für Impfungen zu gewinnen. "Jede Impfung zählt!", appellierte etwa Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Vollständig geimpft sind bundesweit rund 45,6 Millionen Menschen - knapp 55 Prozent aller Einwohner. Manche Bundesländer haben aber besonderen Nachholbedarf.
TESTEN: Schon vorab auf breite Zustimmung trafen Vorschläge, das Angebot kostenloser Schnelltests für alle im Herbst auslaufen zu lassen - durchaus auch als Extra-Anstoß für mehr Impfungen, die ja gratis sind. Das Bundesgesundheitsministerium hatte den Schritt für Mitte Oktober vorgeschlagen - der genaue Termin war vorerst noch offen. Gratis dürften Schnelltests dann nur noch für Menschen sein, die nicht geimpft werden können oder für die es keine allgemeine Impfempfehlung gibt wie für Schwangere oder Unter-18-Jährige.
SCHUTZMAßNAHMEN: Keine großen Diskussionen zeichneten sich dazu ab, den Basis-Schutz mit Abstand, Hygiene und Maskenpflicht in bestimmten Bereichen bestehen zu lassen: in Bussen und Bahnen oder Geschäften. Neu geregelt werden könnten einheitliche Vorgaben, um die sogenannte "3G-Regel" für den Zugang zu bestimmten Einrichtungen zu verankern: also, dass nur hinein oder teilnehmen kann, wer geimpft, genesen oder frisch negativ getestet ist. Im Gespräch war dies unter anderem für Kliniken und Pflegeheime, Sport und Veranstaltungen drinnen, Innengastronomie, körpernahe Dienstleistungen wie Friseure und Beherbergungen. Strittig war zuletzt, ob für manches auch "2G" gelten solle: Zutritt nur für Geimpfte und Genesene, was private Anbieter ohnehin machen können.
DER CORONA-RAHMEN: Es zeichnete sich ab, dass auch eine wichtige rechtliche Basis wohl bestehen bleiben soll. Einstimmig sprachen sich die Gesundheitsminister der Länder noch am Montag dafür aus, dass der Bundestag die vorerst bis 11. September festgestellte "epidemische Lage von nationaler Tragweite" erneut verlängert. Das Parlament hatte dies zuletzt am 11. Juni bestätigt - ohne erneutes Votum würde die Sonderlage nach drei Monaten auslaufen. Sie gibt dem Bund das Recht, direkt Verordnungen etwa zu Tests und Impfungen zu erlassen. Auch Maßnahmen wie Maskenpflicht oder Kontaktbeschränkungen, die die Länder festlegen können, beziehen sich laut Infektionsschutzgesetz auf die Feststellung dieser "epidemischen Lage".
FORDERUNGEN: Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sagte der dpa: "Wichtig ist, dass neben der Debatte um Schnelltests und Impfbereitschaft die Kitas und Schulen im Fokus stehen." Es brauche ein "verbindliches Versprechen der Politik", dass ein Offenhalten Priorität habe. Zentral sei, dafür zu sorgen, dass sich Erwachsene impfen lassen, insbesondere auch im Umfeld von Kindern. "So kann eine Art 'Schutzkokon' gebildet werden", meinte Baerbock. Alle Schulen und Kitas müssten Räume mit Luftfiltern oder mindestens CO2-Ampeln ausstatten können.
Der CDU-Wirtschaftspolitiker Friedrich Merz sagte der dpa: "Es darf keinen weiteren Lockdown geben." Eine Überlastung der Intensivstationen sei dank der Impfungen sehr unwahrscheinlich geworden.
"Für Geimpfte, Genesene und Getestete muss deshalb auch im Herbst bei höheren Inzidenzen ein normales Leben möglich sein."
FLUTHILFE: Bund und Länder wollen außerdem einen Fonds vereinbaren, um den Wiederaufbau nach dem Hochwasser im Westen Deutschlands zu finanzieren - im Gespräch war nach dpa-Informationen ein mögliches Volumen von etwa 30 Milliarden Euro. Die Bauprojekte sollen je zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert werden, heißt es im Entwurf von Montagabend. Summen sind noch nicht beziffert. Vor allem in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hatte es massive Schäden gegeben.
Jetzt sei ein zügiges parlamentarisches Verfahren mit Sondersitzungen von Bundestag und Bundesrat nötig, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Montag im Landtag. Ähnlich äußerte sich auch seine rheinland-pfälzische Kollegin Malu Dreyer. Es sei Eile angesagt, sagte die SPD-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Dienstag. "Die Menschen sind hart getroffen und brauchen die Sicherheit und Zuversicht, dass sie auch beim Wiederaufbau nicht allein gelassen werden." Die Solidarität zwischen Bund und Ländern sei groß. "Je schneller Bundestag und Bundesrat tagen desto besser für die Menschen in den Katastrophengebieten."
Dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) zufolge belaufen sich alleine die Schäden bei Unternehmen in NRW und Rheinland-Pfalz auf eine Milliardensumme. Vorsichtige Schätzungen der örtlichen Industrie- und Handelskammern gingen von mehr als 11.000 direkt getroffenen Firmen aus. "Die Schadenssumme allein an Gebäuden und Maschinen könnte 3,5 Milliarden Euro überschreiten", hieß es.
Beraten werden soll am Dienstag auch über Verbesserungen etwa bei Warnungen für die Bürger. Dazu gehören ein Programm zur Ertüchtigung von Sirenen und ein System, das ähnlich wie bei einer SMS Nachrichten an Handy-Nutzer verschickt - und zwar an alle, die sich zu dem Zeitpunkt in einer Funkzelle aufhalten. Diese Technik wird in vielen anderen Staaten bereits genutzt.
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(rt/dpa)