Bundeswehr-Inspekteur: Kooperation mit privaten Start-ups soll Rüstung ankurbeln

"Ethische Vorbehalte" sieht Generalleutnant Mais als Hemmnis für eine technologische Aufrüstung der Bundeswehr. "Potenzielle Gegner" wie Russland und China hätten diese nicht. Vorbild sei Israel, wo "der Druck der permanenten Bedrohung " wie eine "Brutkammer" für Innovationen wirke.

Generalleutnant Alfons Mais, Inspekteur des Heeres, sieht großen Nachholbedarf in der Aufrüstung der Bundeswehr. Im Interview mit dem Handelsblatt argumentiert er, Deutschland drohe anderenfalls eine technologische Unterlegenheit in der Verteidigung – insbesondere im Bereich der Cybersicherheit und der Informationstechnologie. Als einen Ausweg empfiehlt er eine engere Vernetzung der Armee mit privaten Start-up-Unternehmen.

Laut Mais ist die Zeit "lange vorbei", "in der die militärische Forschung die zivile Forschung angetrieben hat". Stattdessen müsse es nun um eine Neuorientierung gehen, um etwa auch bei "klassischen militärischen Problemen" mit Start-ups zusammenzuarbeiten. Denn heute gehe "auch im Militärischen nichts mehr ohne Digitalisierung".

Als Beispiel nennt der Bundeswehr-General sogenannte "Drehstuhlschnittstellen" – etwa um Bilder von Drohnen "militärisch nutzbar zu machen". Mais äußert:

"Ein Riesenthema für die Militärcommunity weltweit ist die Reaktionszeit von der Datenerfassung bis zu dem Moment, in dem das Ziel bekämpft werden kann. Das ist hochinteressant für uns."

Für eine engere Vernetzung zwischen ziviler und militärischer Forschung hat die Bundeswehr bereits Test- und Versuchsstrukturen eingerichtet. Mais argumentiert:

"Wir bieten an, Industrie und Truppe frühzeitig zusammenzubringen, um gemeinsam zu testen, ob die Produkte bei Konfliktbildern der Zukunft einen militärischen Zweck erfüllen könnten."

Ein großes Problem sieht Mais in den Innovationszyklen, bis eine Technologie tatsächlich in die militärische Rüstung übernommen werde. Faktisch vergehen zehn Jahre, bis etwas "aus der Pipeline rauskommt". Der Inspekteur des Heeres ist sich sicher, die Spanne sei "einfach zu lange", denn "militärische Plattformen wie Panzer oder Hubschrauber sind heute fahrende und fliegende Computer".

Ein weiteres Hemmnis sind laut dem Bundeswehr-General Diskussionen über "ethische Vorbehalte". Diese zeigen sich insbesondere in der Frage des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz im militärischen Bereich – verknüpft mit Robotik. Mais ist überzeugt, "potenzielle Gegner wie zum Beispiel China oder Russland haben diese Bedenken nicht".

Vor dieser Perspektive drängt der General, "ethische Vorbehalte" in der Politik zu überwinden:

"Ich frage die Parlamentarier immer wieder: Wollen Sie sich junge Menschen Europas vorstellen, die zum Beispiel gegen chinesische Roboter kämpfen müssen? Ich will mir das nicht vorstellen."

Als große Vorbilder sieht Alfons Mais den "US-amerikanischen Verbündeten" mit seinen immensen Ressourcen sowie "das Militär in Israel" mit seiner "unglaublichen Innovationskraft". Auch die politische Lage in Israel schaffe eine günstige Situation für die militärische Aufrüstung:

"Der Druck der permanenten Bedrohung sorgt dafür, dass alles wie in einer Brutkammer viel schneller geht. Und durch das riesige Reservistenkorps ist die Rückkoppelung zur Industrie viel besser."

In Europa verweist der Inspekteur des Heeres hingegen auf die Niederlande, die bereit seien, "auch ins Ungewisse zu gehen". Während Deutschland "zu risikoavers" agiere, gehen in den Niederlanden "auch mal Budgets verloren, aber irgendwann haben sie auch den goldenen Schuss". Gerade darin, dass Ressourcen auch mal "nicht zum Ziel führen" können, sieht Mais den Vorteil von Start-up-Kooperationen.

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