Seit über einem Jahr beherrscht vor allem "Corona" die politischen Diskussionen unter Kollegen und Freunden. Und selten waren die Fronten wohl derart verhärtet – nicht selten selbst innerhalb des engsten Familienkreises. Die politisch-mediale Debatte hat sich für viele Menschen von einem wissenschaftlichen Diskurs, vom offenen demokratischen Austausch von Argumenten, entkoppelt.
Hier die "Verschwörungstheoretiker" und sogenannten "Schwurbler", die mutmaßlichen Wirrköpfe der Querdenker, dort die ernstzunehmenden "Experten" und bedrängten Vertreter "der Wissenschaft". Raum für Zwischentöne und Respekt gegenüber anderen Meinungen scheint laut Beobachtern rar geworden zu sein.
In diesem Klima bietet Zeit Campus nun einen speziellen Service an. Die geschilderten Fronten sind dabei auch hier glasklar. In Du-Form wendet man sich mitfühlend offensichtlich an junge Erwachsene.
"Drehen deine Eltern durch? Weil sie in der Pandemie zu Querdenkern geworden sind, an Verschwörungsmythen glauben und jedes Gespräch zur Belastung wird? Schreib uns gerne deine Geschichte."
Kritiker der Corona-Politik werden im Folgenden unisono als verirrte Verschwörungstheoretiker gebrandmarkt. Dies kommt demzufolge leider auch im engsten Familienkreis vor. Doch es wird nicht dazu geraten, sich gegenseitig zuzuhören, sich wieder im Sinne einer demokratischen Meinungsbildung respektvoll auszutauschen, denn die eine Seite hat ohnehin nur "Verschwörungsmythen" zu bieten.
Jegliche Kritik an den Corona-Maßnahmen ist dabei offensichtlich auf den Einfluss einer ganzen "Schwurblerindustrie" zurückzuführen.
"Eine ganze Schwurblerindustrie ist entstanden und sie unterhält ihre Konsumentinnen und Konsumenten mit immer neuen, absurden, aber aus dem Stand kaum widerlegbaren Behauptungen."
Es sind vor allem die dadurch entstandenen "radikalen Thesen der Eltern und Geschwister", die letztendlich auch "das eigene Leben" infrage stellen. Wobei die Ursachen für den ausgemachten "schweren Konflikt über die grundsätzliche Wahrnehmung unserer Gesellschaft", der sich zwischenzeitlich entsponnen habe, auf das offensichtlich zu 100 Prozent manipulierte Gedankengut der Maßnahmenkritiker zurückzuführen ist. Kein Wort über eine womöglich gerechtfertigte Kritik an Politik und Medien nach gut eineinhalb Jahren Corona-Pandemie. Dass es die "Die Wahrheit" bekanntlich ebenso wenig gibt wie "die Wissenschaft", kann da ebenfalls keinen Platz finden.
Innerhalb dieses engen analytischen Korsetts sind es allein die allesamt als "Anhänger von Verschwörungstheorien" charakterisierten Menschen, die keinen Spielraum für unterschiedliche Positionen gewähren, sondern "ihre Thesen" mit dem Messer zwischen den Zähnen verteidigen und diese obendrein anderen aufzwingen – "auch wenn sie Eltern sind".
Das tut weh, das schmerzt. Doch Zeit Campus weiß Rat und bietet im Rahmen der eigenen Möglichkeiten Abhilfe. So wird die offensichtlich junge Zielgruppe dazu angeregt, sich vertrauensvoll an die Redaktion zu wenden.
"Kommen dir die geschilderten Situationen bekannt vor? Dann würden wir uns freuen, wenn du uns von deinen Erfahrungen mit Familienangehörigen oder Freunden erzählst. Was ist vorgefallen und an welchen Stellen hast du gemerkt, dass sich Mutter, Vater oder Bruder immer tiefer in die Welt der Verschwörungstheoretiker begeben?"
Voller Verständnis für das Dasein als noch junger Gralshüter der einen Wahrheit wird weitergefragt: "Versuchst du weiterhin Kontakt zu halten oder ist es besser für dich, dich zu (sic.) weitgehend zu distanzieren? Was hilft dir in der Situation und welche Hoffnungen hast du noch, dass das Familienleben sich wieder normalisieren könnte?"
Anschließend wird darum gebeten, die eigene Erfahrung im Formular oder im Kommentarbereich zu hinterlassen, bzw. eine E-Mail zu schreiben (community-redaktion@zeit.de).
Es stellt sich die Frage, ob derlei dogmatische Aufrufe dazu geeignet sind, den Riss, der mittlerweile nicht selten auch durch die Familie geht, zu überwinden, oder ob sie nicht vielmehr zu dessen Vertiefung beitragen.
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