Beim Besuch in einem der Flutkatastrophen-Gebiete hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Solidarität und Spenden für die Opfer aufgerufen. "Vielen Menschen hier in den Regionen ist nichts geblieben außer ihrer Hoffnung. Und diese Hoffnung dürfen wir nicht enttäuschen", sagte das Staatsoberhaupt nach Gesprächen mit Rettungskräften im nordrhein-westfälischen Erftstadt.
Der Ruf nach Hilfe aus allen Teilen der Region sei "groß und drängend". "Aber den großen Verlust haben diejenigen zu tragen, die Angehörige verloren haben in den Fluten", sagte Steinmeier weiter. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) bezeichnete das Hochwasser bei dem Erftstadt-Besuch mit Steinmeier als "Jahrhundertkatastrophe". Land und Kommunen könnten die Folgen der Flut nicht allein stemmen.
Der NRW-Regierungschef und Unions-Kanzlerkandidat versprach den betroffenen Menschen Direkthilfe und sagte zu, es werde "sehr unbürokratisch Geld ausgezahlt". Danach werde man zusammen mit dem Bund "strukturell" den Städten helfen müssen, den Wiederaufbau zu bewerkstelligen. Am Sonntag wird auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der schwer verwüsteten Region in Rheinland-Pfalz erwartet.
Während sich das verheerende Hochwasser aus vielen Flutgebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz langsam zurückzieht, wird in den Trümmern weiterhin nach Todesopfern und Verletzten gesucht. Bis zum Samstagmittag stieg die Zahl der Toten auf mehr als 130. Allein im rheinland-pfälzischen Großraum Ahrweiler kamen nach Angaben der Polizei über 90 Menschen ums Leben. Es wird befürchtet, dass noch weitere hinzukommen, weil einige Autowracks und vollgelaufene Keller noch nicht kontrolliert werden konnten. Hunderte Menschen wurden laut Polizei verletzt.
Aber es gibt auch kleine Hoffnungsschimmer mitten im Chaos: Trotz mehrerer eingestürzter Häuser gab es zum Beispiel bislang keine bestätigten Todesopfer in dem extrem unter Wasser stehenden Stadtteil Blessem der nordrhein-westfälischen Kommune Erftstadt. Man könne aber nicht ausschließen, noch Tote zu finden, sagte ein Sprecher des Rhein-Erft-Kreises. In Blessem südwestlich von Köln war es zu gewaltigen Erdrutschen gekommen, es bildeten sich Krater im Erdreich, drei Wohnhäuser und ein Teil der historischen Burg stürzten ein.
In Nordrhein-Westfalen gab es nach Angaben des NRW-Innenministeriums landesweit mindestens 43 Todesopfer und viele Verletzte. Für Rheinland-Pfalz hatte Landesinnenminister Roger Lewentz (SPD) am Freitag von 362 Verletzten gesprochen. Mehr als zwei Tage nach dem Unglück werden in den Regionen zudem immer noch Menschen vermisst.
Tausende Rettungskräfte sind unter anderem in der Eifel im Einsatz, in Nordrhein-Westfalen halfen rund 23.000 Menschen aus. Hinzu kämen 700 Beamte der Landespolizei und Kräfte der Bundespolizei sowie Einsatzkräfte aus Hessen, Niedersachsen und Hamburg.
Während die Lage in vielen linksrheinischen Gebieten von Nordrhein-Westfalen auch am Samstag angespannt bliebt, fielen in anderen Flussgebieten die Wasserstände deutlich. Lediglich im Einzugsgebiet der Ruhr überschritten einzelne Pegel noch die unterste Informationsstufe, hieß es im Lagebericht des Landesumweltamts (LANUV). Das Rhein-Hochwasser bei Köln hatte in der Nacht zum Samstag seinen Höchststand erreicht, danach fiel der Wasserstand wieder. Auch nach der Frühwarnprognose des Landesamts für Umwelt Rheinland-Pfalz nimmt die Hochwassergefahr ab.
In vielen Ortschaften in Rheinland-Pfalz funktionierte auch am Samstag das Strom- und Telefonnetz nicht. Angehörige, Freunde oder Bekannte, die jemanden vermissen, können sich unter der Rufnummer 0800 6565651 bei der Polizei melden.
Der Schwerpunkt der Katastrophe liegt in Rheinland-Pfalz im Kreis Ahrweiler. Dort sind auch Brücken zerstört. Der Zugverkehr ist in Rheinland-Pfalz wegen der Überflutungen weiterhin massiv beeinträchtigt. Im Ahrtal sind etliche Straßen gesperrt oder nicht mehr befahrbar.
Unklar bleibt die Lage im nordrhein-westfälischen Wassenberg an der Grenze zu den Niederlanden: Dort wurde nach dem Bruch eines Damms des Flusses Rur der Stadtteil Ophoven evakuiert, rund 700 Menschen wurden in Sicherheit gebracht. Die Straßen des Stadtteils standen unter Wasser.
Im Trierer Stadtteil Ehrang wurde am Samstag aufgeräumt, so gut es ging. "Da stapeln sich die Berge von Sperrmüll", sagte ein Stadtsprecher. Erste Anwohner kehrten zurück in ihre Häuser. "Wer da geschlafen hat, hatte kein Wasser und keinen Strom." Betroffen sind der Stadt zufolge 670 Häuser, bei denen im Keller und Erdgeschoss fast alles zerstört wurde.
Die in Trier wohnende rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer (SPD) beklagte schwere Versäumnisse beim Klimaschutz in Deutschland. "In den vergangenen Jahren haben wir in Deutschland vieles nicht umgesetzt, was notwendig gewesen wäre", sagte die Ministerpräsidentin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der Klimawandel sei angesichts der jüngsten Dürren und Unwetter nichts Abstraktes mehr.
"Wir erleben ihn hautnah und schmerzhaft."
Auch die Grünen forderten eine gemeinsame Kraftanstrengung für mehr Klimaschutz. Über allem stehe jetzt noch die Rettung von Menschenleben, sagte der Bundesvorsitzende Robert Habeck am Samstag in einem Grußwort für einen kleinen Online-Parteitag der bayerischen Grünen. Anschließend müsse denjenigen, die gerettet seien, schnell und unbürokratisch geholfen werden. Und dann müsse zum einen der Hochwasserschutz mehr Raum bekommen, zum anderen brauche es stärkere Anstrengungen für mehr Klimaschutz und den gemeinsamen Kampf gegen die Erderwärmung.
Verheerend sind die Folgen der Flut auch in Belgien. Dort hat die Hochwasserkatastrophe bislang 24 Menschen das Leben gekostet. "Leider müssen wir damit rechnen, dass diese Zahl in den nächsten Stunden und Tagen weiter ansteigen wird", teilte das Nationale Krisenzentrum des Landes am Samstag mit. In den Niederlanden kämpfen die Anwohner entlang der Maas ebenfalls mit Sandsäcken und Schutzmaßnahmen gegen das Hochwasser. Mit einem Absinken des Wassers wurde in Roermond am Sonntagmorgen und in Venlo am Sonntagabend gerechnet.
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(rt/dpa)