Die für den 26. September geplanten Landtagswahlen in Thüringen können wohl doch nicht stattfinden. Hintergrund ist, dass die Fraktionen der Linken und der Grünen ihre Unterschriften zum Antrag zur Parlamentsauflösung zurückgezogen haben, die am kommenden Montag beschlossen werden sollte.
Die nötige Zweidrittelmehrheit sei nicht gesichert, die AfD-Stimmen dürften nicht den Ausschlag geben, begründeten die Fraktionschefs die Entscheidung. Die Auflösung ist die Voraussetzung für die Neuwahl des Landtags, die bisher für den 26. September zusammen mit der Bundestagswahl vorgesehen war. Die ist jetzt nach den Fristen, die die Verfassung vorsieht, nicht mehr möglich.
Die Entscheidung, die Unterschriften zurückzuziehen, fiel nach Sondersitzungen der beiden Fraktionen. Nach dem Debakel bei der Wahl von Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) im vergangenen Jahr dürfte nicht riskiert werden, dass AfD-Stimmen den Ausschlag auch bei einer vorgezogenen Neuwahl des Parlaments geben könnten, erklärten die Fraktionsspitzen.
Kemmerich war am 5. Februar 2020 zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt worden – mit Stimmen der AfD und ihres Fraktionschefs Björn Höcke. Der FDP-Politiker nahm die Wahl an und löste damit ein politisches Beben aus, das bis nach Berlin reichte. Es wurde unter anderem von einem "Dammbruch" von bundespolitischer Bedeutung gesprochen. Auf Druck der Öffentlichkeit und seiner eigenen Partei hatte Kemmerich einen Tag nach seiner Wahl seinen Rücktritt angekündigt, den er wenige Tage später vollzog.
Rot-Rot-Grün und CDU, die den Auflösungsantrag Ende Juni gemeinsam eingereicht hatten, können offenbar die nötigen 60 Stimmen nicht aufbringen, obwohl sie zusammen 63 Abgeordnete haben. Vier Abgeordnete der CDU versagten ihre Zustimmung und auch zwei der Linken, die auf die Vertragstreue der CDU pochten. Hinzu kam, dass sich eine Abgeordnete der Linken bei einem Unfall so schwer verletzte, dass sie voraussichtlich nicht zu der Abstimmung am Montag hätte kommen können.
Die Linksfraktion Thüringen schrieb auf dem Kurznachrichtendienst Twitter:
"Es ist bitter aber wir ziehen den Antrag zur Auflösung des Thüringer Landtag zurück."
Man tue das demnach "auch aus Verantwortung vor dem Parlament und den Abgeordneten, denen es wichtig war", die Auflösung nicht mit Stimmen der AfD zu vollziehen.
Die Grünen teilten mit, dass die Entscheidung, den Antrag zurückzuziehen, der Fraktion nicht leicht gefallen sei, "aber es galt die Realitäten anzuerkennen".
Demnach sei deutlich geworden, dass es keine Mehrheit für die Auflösung des Landtags "mit den notwendigen Stimmen der demokratischen Fraktionen" gebe.
Thüringens rot-rot-grüne Minderheitskoalition mit Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) an der Spitze fehlen vier Stimmen für eine eigene Mehrheit im Landtag. Sie ist damit bei Entscheidungen im Parlament bisher auf die Unterstützung der CDU angewiesen. Dazu war im März 2020 ein befristeter Stabilitätspakt abgeschlossen worden, der ausgelaufen ist.
Nach dem Platzen der Landtagsauflösung will die Regierungskoalition keinen zweiten Versuch starten. Der Fraktionsvorsitzende der Linken Steffen Dittes sagte am Freitag im Landtag in Erfurt:
"Es steht einem Parlament nicht an, im Jahresrhythmus über seine Auflösung zu diskutieren."
SPD-Fraktionschef Matthias Hey und die Vorsitzende der Grünen-Fraktion Astrid Rothe-Beinlich äußerten sich ähnlich. Die Legislaturperiode geht noch bis 2024.
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(dpa/rt)