Nach ihrem Besuch des Robert Koch-Instituts (RKI) informierten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der anschließenden Pressekonferenz gemeinsam mit dem RKI-Präsidenten Lothar Wieler über die aktuelle Corona-Lage und nutzten die Gelegenheit, weiter für die Impfkampagne der Bundesregierung zu werben.
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts müssten aufgrund der Delta-Variante des SARS-CoV-2-Erregers mindestens 85 Prozent der 12 bis 59-Jährigen und über 90 Prozent der Über-60-Jährigen geimpft werden. Davon sei man allerdings noch weit entfernt, so Merkel. Die Kanzlerin appellierte deshalb an die Bevölkerung, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen, da man sich durch die Impfung nicht nur selber schütze, sondern auch nahestehende Personen:
"Je mehr geimpft sind, umso freier werden wir wieder sein, umso freier können wir wieder leben", sagte Merkel.
Deshalb solle man darüber auch in der Familie und am Arbeitsplatz reden und für das Impfen werben. Eine Impfpflicht, wie sie derzeit in Frankreich für das Gesundheitspersonal gilt, soll es laut Merkel jedoch in Deutschland nicht geben:
"Wir haben nicht die Absicht, diesen Weg zu gehen, den Frankreich vorgeschlagen hat. Wir haben gesagt, es wird keine Impfpflicht geben. Wir sind am Beginn der Phase zu werben, wo wir noch mehr Impfstoff haben, als wir Personen haben, die sich impfen lassen wollen, und diese Phase werden wir jetzt mit Nachdruck vorantreiben. Das machen wir ja hier heute auch mit unserer Pressekonferenz."
Die Bundeskanzlerin begründete die Entscheidung unter anderem damit, dass eine Impfpflicht das Vertrauen senken würde. Auch laut Spahn brauche man "keine Impfpflicht, aber ein Impfgebot". Er zitierte in diesem Zusammenhang den US-Präsidenten Joe Biden, der die Impfung kürzlich als "patriotische Pflicht" bezeichnete. Auch laut RKI-Präsident Wieler brauche man keine Impfpflicht, da aus den Erhebungen seines Hauses hervorgehe, dass die Impfbereitschaft hoch sei und bei über 80 Prozent liege. Stattdessen müsse man die Impfungen durch ein "aufsuchendes Impfangebot" zu den Menschen bringen. Auch laut Jens Spahn seien Impfungen auf Sportplätzen und neben Kirchen und Moscheen ein richtiger Schritt:
"Jede individuelle Entscheidung für eine Impfung hilft uns als Nation zu einer neuen Normalität zu finden", sagte Spahn.
Spahn erklärte weiterhin, dass es auch darum gehe, Kinder und Jugendliche zu schützen. Diese hätten in den letzten Monaten auf vieles verzichten müssen, nun müssten die Erwachsenen auch Rücksicht auf sie nehmen. Im Anschluss an die Pressekonferenz gab Merkel weiter bekannt, dass man alles tun werde, um einen erneuten Lockdown im Herbst zu verhindern. Deshalb sollten das Testen und die AHA+L-Regeln ihre Bedeutung beibehalten. Merkel warnte zudem, dass "die Pandemie noch nicht vorbei" sei. Maskentragen und Abstandsregeln seien "sehr niederschwellige Eingriffe" und nötig, um schwerere Eingriffe zu verhindern. Merkel gab tat ihre Auffassung kund, dass "die dritte Welle nicht gebrochen wurde, weil wir die Sache so gut im Griff hatten":
"Das war nur der Tatsache geschuldet, dass sich das Impfen bemerkbar gemacht hat."
Auf das saisonal unterschiedlich starke Auftreten von Coronaviren ging Merkel in ihrem Statement allerdings nicht ein. Ein weiterer zentraler Punkt der Pressekonferenz war, inwieweit die Inzidenzwerte als Maßstab für die Corona-Politik noch aussagekräftig sind, da es – unter anderem wohl durch die Impfungen – zu weniger schweren Fällen und Krankenhausaufenthalten kommt. Dadurch werden die Inzidenzwerte zunehmend von der Intensivbettenbelegung entkoppelt, die Korrelation ist nun vollkommen schwächer.
Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn solle das Infektionsschutzgesetz jedoch nicht geändert werden, da Parameter wie die Hospitalisierung und die Impfungen bereits im Gesetzestext enthalten sind. Merkel erklärte mit Blick auf die Corona-Maßnahmen, dass die "Sieben-Tage-Inzidenz" weiterhin ein wichtiger Faktor bleiben wird, da man nach ihrer Meinung an diesem Wert erkennen könne, wann eine Überbelastung des Gesundheitswesens droht. Durch die fortschreitende Impfkampagne könne man jedoch auch höhere Inzidenzen verkraften.
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