Lockdown trotz Impfung? – Lauterbach warnt vor einer "Post-Lockdown-Vollöffnung"

Zeigt der BioNTech-Impfstoff wirklich eine geringere Wirksamkeit gegen die Delta-Variante, wie Zahlen aus Israel nahelegen? Für Karl Lauterbach ist die Konsequenz klar: Er warnt vor "Impfungen ohne jeden Lockdown", ansonsten "hätten wir im Herbst ein Problem".

Israel gilt als Vorzeigeland in Sachen Corona-Impfung. Laut der israelischen Zeitung Haaretz haben dort von 9,3 Millionen Einwohnern etwa 5,6 Millionen Menschen die erste Impfung erhalten. Circa 5,2 Millionen Israelis sind vollständig geimpft – 56 Prozent der Bevölkerung. Mit einer so hohen Quote lässt sich in Israel besser als anderswo die tatsächliche Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe erforschen, insbesondere des Vakzins von BioNTech/Pfizer, das für einen Großteil der israelischen Impfkampagne genutzt wurde.

In den vergangenen Tagen berichtete das israelische Gesundheitsministerium, die Wirksamkeit der BioNTech/Pfizer-Impfung habe infolge der Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus nachgelassen. Die Times of Israel berichtet, landesweit sei die Wirksamkeit der Impfung bei der Verhinderung einer Infektion in Israel auf 64 Prozent gesunken. Eine schwere Erkrankung und eine Hospitalisierung solle noch zu 93 Prozent durch die Impfung verhindert werden. Entsprechend soll trotz der hohen Impfquote die Zahl der registrierten Corona-Neuinfektionen ansteigen. Für Montag gab das israelische Gesundheitsministerium an, das 369 Personen positiv getestet wurden – der größte Teil davon stehe im Zusammenhang mit der Delta-Variante.

Die Daten aus Israel werfen die Frage auf, wie zuverlässig die Corona-Impfung gegen die sogenannte Delta-Variante des Coronavirus schützt, die sich laut dem Robert Koch-Institut auch in Deutschland zunehmend ausbreitet. Für Karl Lauterbach ist das ein "Grund zur Sorge". Er argumentierte gegenüber der Augsburger Allgemeinen, dass möglicherweise nicht die Delta-Variante allein für die geringere Wirksamkeit der Impfstoffe verantwortlich sei, sondern Lockerungen des Lockdowns. Der SPD-Politiker warnt eindringlich vor der Kombination einer weiten Verbreitung der Delta-Variante des Coronavirus bei gleichzeitigen Lockerungen. Es drohe zum Beispiel eine "Delta-Durchseuchung unserer Kinder".

Lauterbach, als "Gesundheitsexperte" anmoderiert, äußerte in der Tagesschau gestern Abend:

"Es kann durchaus sein, dass die Impfungen ohne jeden Lockdown – also wenn wir wieder ganz normal miteinander zusammenleben –, dann nicht so stark wirken, weil man dann sehr viel stärker exponiert wird. Und wenn dann tatsächlich die Impfwirkung in dieser Größenordnung sinkt, dann hätten wir im Herbst ein Problem."

In die gleiche Richtung zielt auch Lauterbachs Tweet von gestern:

"Bei Post-Lockdown-Vollöffnung wird der Impfstoff natürlich viel mehr herausgefordert. Es kann sein, dass dann die Wirkung sinkt. Eine Quote von 7 Prozent schweren Fällen trotz Impfung wäre ein ganz großes Problem!"

Während Lauterbach sich damit im Prinzip gegen die Aufhebung von Lockdowns ausspricht, warnen Experten, wie etwa der Mediziner Leif Erik Sander von der Berliner Charité, davor, zu schnelle Schlüsse zu ziehen. Gegenüber der dpa äußerte Sander, dass es durchaus denkbar sei, dass der Immunschutz mit der Zeit etwas nachlasse. Man müsse die Zahlen aus Israel erst einmal genau analysieren.

Der Virologe Alexander Kekulé sieht die Meldungen über eine geringere Wirksamkeit des Impfstoffs von BioNTech/Pfizer gegen die Delta-Variante gelassen. Das sei "nichts, weswegen wir jetzt alle in Panik geraten müssen", sagte er dem MDR. Es sei völlig klar, dass die Impfstoffe gegen neue Varianten nicht die gleiche Wirksamkeit erzielten wie gegen Ursprungsvarianten. Zudem betonte Kekulé, dass die israelische Wirksamkeitsstudie noch nicht veröffentlicht und die Daten möglicherweise vorläufig seien.

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(rt/dpa)