Messerattacke in Würzburg mit drei Toten: Islamistischer Hintergrund laut Ermittlern "naheliegend"

Ist der Messerstecher von Würzburg ein Extremist? Die Ermittler sehen Hinweise für ein islamistisches Motiv. Fraglich ist, inwieweit der Mann organisiert war und welche Rolle seine psychische Verfassung spielte. Es soll ein psychiatrisches Gutachten erstellt werden.

Im Falle des Messerstechers von Würzburg halten es die Ermittler für "naheliegend", dass der Mann islamistisch motiviert war. Fraglich sei bisher allerdings, ob der Somalier in eine Terrororganisation eingebunden gewesen sei, sagte ein Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA) am Dienstag in München. Dafür gebe es noch keine Beweise.

In der Unterkunft des 24-Jährigen in Würzburg seien bisher keine derartigen Hinweise gefunden worden – gleichwohl sprächen Zeugenaussagen für einen solchen Hintergrund.

Diese Zeugen wollen während der Attacke des 24-Jährigen zweimal den Ausruf "Allahu Akbar" gehört haben, wie Generalstaatsanwaltschaft München und LKA mitteilten. Zudem soll der später mit einem Polizeischuss gestoppte Mann im Krankenhaus einen Hinweis auf den "Dschihad", also den "Heiligen Krieg", gegeben haben.

Ermittler erklärten:

"Bislang sind beim Tatverdächtigen noch keine Hinweise auf Propagandamaterial oder sonstige extremistische Inhalte gefunden worden."

Das Ermittlungsverfahren dauere an. Im Zuge dessen soll es ein psychiatrisches Gutachten geben. Dies soll klären, ob der Migrant bei der Tat schuldunfähig war und in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden muss.

Der Mann hatte am Freitag in Würzburg auf Menschen eingestochen, die er wohl gar nicht kannte. Gegen 17 Uhr hatte der Somalier ein Kaufhaus in der Innenstadt betreten. Er fragt demnach eine Verkäuferin nach der Haushaltsabteilung und nahm sich dort ein Messer aus der Auslage. Damit stach er der Polizei zufolge offensichtlich ohne jede Vorwarnung auf mehrere Menschen ein. Nicht nur im Kaufhaus, sondern auch in einer gegenüberliegenden Bank und auf der Straße attackiert er Passanten. Drei Frauen starben, sieben Menschen wurden verletzt, darunter ein elfjähriges Mädchen. Der 24-Jährige sitzt in Untersuchungshaft – wegen dreifachen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung sowie vorsätzlicher Körperverletzung.

Landesinnenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte nach der Tat bereits von Hinweisen auf ein islamistisches Motiv des Täters gesprochen. Er stützte dies auf die Aussage eines Zeugen, wonach der Verdächtige bei der Tat "Allahu Akbar" (deutsch: "Gott ist groß") gerufen habe. Herrmann schloss aber auch nicht aus, es könne die Tat eines psychisch Kranken mit islamistischen Bezügen sein.

Die Polizei hält sich mit Äußerungen über das mögliche Tatmotiv bisher bedeckt. Erst müssen alle Gegenstände, die in der Obdachlosenunterkunft des Mannes in Würzburg gefunden wurden, untersucht und bewertet werden – unter anderem von Islamwissenschaftlern. Zu den Funden zählen etwa zwei Handys, die dem 24-Jährigen gehören sollen.

Der Tatverdächtige lebte von 2015 bis 2019 in Sachsen, anschließend in Bayern. Bereits 2015 gab es in Sachsen einen Streit, in dem ein Messer eine Rolle spielte. Bei der Auseinandersetzung in einer Asylunterkunft Ende 2015 erlitten der heute 24-Jährige und sein Kontrahent leichte Schnittverletzungen, wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Chemnitz am Dienstag auf Anfrage sagte. Die Verletzungen seien aber nur oberflächlich gewesen und hätten keiner ärztlichen Versorgung bedurft. Bei dem Streit habe es sich um die Benutzung eines Kühlschranks gehandelt. Die Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung wurden laut Staatsanwaltschaft Anfang 2017 eingestellt, weil es den Angaben zufolge aufgrund widersprüchlicher Aussagen keinen Tatnachweis gab.

Inzwischen berichtet Die Welt, dass der Somalier in einem Video aus dem Jahr 2018 von Hetzjagden durch Neonazis in Chemnitz erzählt hatte. Er soll auch damals bei einem mutmaßlichen Übergriff durch Neonazis auf der Straße auf seinen damaligen Mitbewohner dabei gewesen sein. Auf dem Video ist der mutmaßliche Attentäter von Würzburg laut Welt zu hören, wie er schildert, dass Rechte in Chemnitz Hetzjagd auf Flüchtlinge machen würden, weshalb er den Osten verlassen wolle. Demnach habe er jeden Tag Angst und gehe nicht allein auf die Straße. Seit dem 4. September 2019 ist der Asylbewerber in Würzburg erfasst.

Nach der Messerattacke im Kaufhaus starben drei Frauen im Alter von 24, 49 und 82 Jahren. Der Angreifer verletzte zudem weitere Frauen (39, 52, 73), ein Mädchen (11) und einen Jugendlichen (16) lebensgefährlich mit dem Messer sowie einen Mann (57) und eine weitere Frau (26) leicht. Die Elfjährige ist die Tochter der getöteten 49-Jährigen. 

Der Mann war am 6. Mai 2015 aus dem Bürgerkriegsland Somalia nach Deutschland eingereist. Sein Asylantrag wird zwar 2016 abgelehnt, aber er erhält subsidiären Schutz. Somit hält er sich legal in Deutschland auf und darf nicht in das afrikanische Land abgeschoben werden. Er soll in Mogadischu geboren worden sein und lebte zuletzt in Würzburg in einer Obdachlosenunterkunft. Der Polizei war der Mann bereits vor der Attacke wegen aggressiven Verhaltens bekannt. Nach psychischer Auffälligkeit musste er auch in psychiatrische Behandlung – zwangsweise, wie Landesinnenminister Herrmann sagt.

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(dpa/rt)