Hält die Immunität gegen COVID-19 ein Leben lang?

Lange Zeit war unklar, wie lange die Immunität gegen COVID-19 anhält, die man sowohl per Impfung als auch durch überstandenen Infektion erhalten kann. Neueste Untersuchungen zeigen, dass dieser Zustand jahrelang anhalten könnte – bei einigen vielleicht ein Leben lang.

Eine Immunität gegen Corona kann man durch eine Impfung oder durch eine überstandene COVID-19-Erkrankung erlangen. In beiden Fällen erkrankt man nicht mehr oder nur noch sehr leicht. Doch eine wesentliche Frage, die auch im Hinblick auf die Massenimpfungen immer wieder diskutiert wird, dreht sich darum, wie lange die erhaltene Immunität anhält. In der Vergangenheit hatte sich gezeigt, dass die Zahl der Antikörper, die nach einer Infektion gebildet wurden, schon nach ein paar Monaten sehr stark gesunken war. Auch der Chef des Pharmakonzerns Pfizer Albert Bourla sagte laut US-Medien kürzlich, dass jährliche Corona-Impfungen notwendig sein könnten.

Einige Fachleute vermuteten jedoch, dass durch das immunologische Gedächtnis eine wesentlich länger anhaltende Abwehr gegen SARS-CoV-2 bestehen könnte. Und jüngst zeigten auch Publikationen, wie beispielsweise die Studie einer Forschergruppe aus St. Louis in Missouri im Fachjournal Nature, dass dies durchaus der Fall sein könnte und Hoffnung auf eine länger anhaltende Immunität besteht, da im Knochenmark ebenfalls wichtige Immunzellen in Form von langlebigen Plasmazellen erhalten bleiben.

Durch die im Körper verbleibenden Plasmazellen wird nach Aussage der Forscher dafür gesorgt, dass die Antikörper-Produktion jederzeit wieder angestoßen werden kann, sodass eine Immunität gegen SARS-CoV-2 länger anhält als bisher angenommen. Hintergrund dessen ist, dass Fachleute zwischen verschiedenen Antikörpern unterscheiden: IgA-Antikörper, die im Nasenschleim und in der Lunge vorhanden sind, arbeiten praktisch als schnelle Eingreiftruppe gegen Viren. IgG-Antikörper, die als Teil des Immungedächtnisses gelten, werden erst nach einer gewissen Zeit in Blut gebildet. Sollte es zu einer neuen Infektion kommen, sorgen diese dann für eine schnelle Reaktion.

Auch andere Untersuchungen der University School of Medicine in St. Louis, die allerdings noch nicht begutachtet wurden, zeigen, dass bestimmte B-Gedächtniszellen weiter reifen und die Immunität daher mindestens zwölf Monate nach der Infektion gewährleistet ist. Der in Deutschland bekannte Epidemiologe Alexander Kekulé erklärte diesbezüglich im MDR-Podcast Kekulés Corona-Kompass, dass diese B-Lymphozyten so weit reifen, dass im Endeffekt langlebige Knochenmark-Zellen entstehen. Damit sei nachgewiesen, dass "das Immunsystem sozusagen alle Register gezogen hat bei der Produktion der Antikörper":

"Und deshalb, finde ich, ist das eigentlich jetzt der letzte Beleg, dass wir wahrscheinlich, wenn man das positiv sieht, lebenslang ein immunologisches Gedächtnis haben gegen das Virus, was uns genau infiziert hat. Also genau die Variante von SARS-CoV-2, die uns infiziert hat, die vergisst unser Immunsystem nicht."

Allerdings war die Probandenzahl bei den Untersuchungen der Forschergruppe gering, die meisten Teilnehmer hatten zudem nur milde Verläufe. Man benötige deshalb weitere Forschung, um die Ergebnisse zu erhärten.

Auch der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie Carsten Watzl geht davon aus, dass die Immunität gegen den SARS-CoV-2-Erreger mindestens zwölf Monate anhält. Weitere Untersuchungen seien zudem notwendig, um den Wirksamkeit der Impfstoff und die Dauer der Schutzwirkung gegen neue Virus-Varianten zu verbessern. Die Aussage Bourlas, dass jährliche Corona-Impfungen notwendig sein könnten, ist laut Watzl aus Sicht von Immunologen jedoch verwunderlich, wie er dem Focus erklärte:

"Für den Großteil der Bevölkerung ist nicht zu erwarten, dass das gesamte Prozedere jedes Jahr wiederholt werden muss."

Voraussichtlich bräuchten nur Personen, deren Immunsystem aus Altersgründen oder wegen Vorerkrankungen geschwächt ist, in jeder Saison eine Auffrischungsimpfung.

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