In der Debatte um die Verteilung von angeblich unzureichend geprüften Corona-Schutzmasken fordert die FDP den Einsatz eines Sonderermittlers. FDP-Bundestagsfraktionsvize Michael Theurer sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (Dienstag), dass die Faktenlage auf eine lange Fehlerkette beim Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hindeute.
"Wir haben den Eindruck, bei den jetzt bekanntgewordenen Vorgängen um die Bestellung der Masken handelt es sich nur um die Spitze des Eisbergs."
Die Vorgänge, ergänzte Theurer, müssten schnell und lückenlos aufgeklärt werden. Für einen Untersuchungsausschuss im Bundestag sei es nun leider zu spät, gab Theurer mit Blick auf die im September anstehende Bundestagswahl zu bedenken. Er forderte daher:
"Die Bundesregierung oder der Bundestag müssen deshalb umgehend einen Sonderermittler einsetzen, der am besten vom Bundesrechnungshof kommen sollte."
Hintergrund der Debatte, die vor allem auch zwischen Union und SPD ausgetragen wird und deshalb die schwarz-rote Koalition belastet, ist ein Bericht im Spiegel über den Umgang mit angeblich minderwertigen, in China bestellten Anti-Corona-Masken.
Demnach sollten nach Plänen des vom Bundesminister Jens Spahn (CDU) geführten Gesundheitsministeriums solche Masken, die nicht nach hohen Standards getestet worden waren, an Einrichtungen für Menschen mit Behinderung oder für Obdachlose gehen. Nach einer Intervention des Bundesarbeitsministeriums sei davon Abstand genommen worden.
Spahn hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. Die Masken aus China seien nachweislich geprüft worden. Sie hätten zwar keine EU-Zertifizierung, seien aber beim Infektionsschutz sicher.
Die SPD-Spitze hatte am Montag ihre Rücktrittsforderungen gegen Spahn aufrechterhalten. Die Grünen-Fraktion im Bundestag wirft dem Gesundheitsministerium vor, bereits im Sommer minderwertige Masken verteilt zu haben. Die Gesundheitsexpertin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Maria Klein-Schmeink, erklärte gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland:
"Die zum Teil minderwertigen Masken sind im vergangenen Sommer an die Länder, an Kassenärztliche Vereinigungen, an Pflegeheime sowie an Einrichtungen der Wohnungslosen- und der Eingliederungshilfe gegangen."
Bereits im August seien die Masken aus Pflegeheimen zurückgekommen mit dem Hinweis, dass das Material "minderwertig" sei, die Masken "komisch riechen" oder "die Halterungen leicht reißen".
Der Vorstandssprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), Dr. Peter Walger, erklärte gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung:
"Zu den Importmasken liegt uns eine Fülle von Hinweisen auf Fake Ware vor, die die Qualitätsanforderungen im medizinischen Bereich nicht ansatzweise erfüllt, aber trotzdem zum Einsatz kommt."
Der Internist und Infektiologe forderte ebenfalls die sofortige Entsorgung der von Spahn bestellten und mutmaßlich minderwertigen Importmasken.
"Die schnell geprüften FFP2-Masken sollten schnellstmöglich entsorgt werden. Sie gehören auch nicht in die Notfallreserve des Bundes."
FFP2-Masken gehörten nach Ansicht des Hygiene-Experten ohnehin weder in die Hände von Laien noch von Obdachlosen, auch nicht von "Hartz-IV-Empfängern oder Vorstandsvorsitzenden". Walger ist überzeugt: Die Pflicht für alle Bürger zum Tragen von FFP2-Masken in der Öffentlichkeit sei "eine Fehlentscheidung" gewesen, die sich nicht wiederholen dürfe.
Abgesehen von der aktuellen Masken-Diskussion war und ist die generelle Verpflichtung zum Tragen der FFP-2-Masken keineswegs unumstritten. Kritische Töne wurden jedoch lange Zeit mit mutmaßlichen "Verschwörungstheoretikern" und "Querdenkern" in Verbindung gebracht.
Doch bereits Mitte Januar äußerte sich auch die DGKH in einer Stellungnahme kritisch zum Tragen der Partikelfiltrierenden Halbmasken (FFP2). Es wurde damals bereits festgehalten, dass das Tragen von FFP2-Masken zum Eigenschutz bei Klinikmitarbeitern "lediglich bei Aerosol generierenden Maßnahmen u.a. auf Intensivstationen oder in der unmittelbaren Betreuung von COVID-19-Patienten bzw. bei der Verdachtsabklärung als erforderlich angesehen" werde.
"Beim bestimmungsgemäßen Einsatz von FFP2-Masken muss eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung im Voraus angeboten werden, um durch den erhöhten Atemwiderstand entstehende Risiken für den individuellen Anwender medizinisch zu bewerten."
Die zulässige durchgehende Tragedauer von FFP2-Masken liege bei gesunden Menschen in der Regel bei 75 Minuten. Darauf sollte eine 30-minütige Pause folgen, "um die Belastung des Arbeitnehmers durch den erhöhten Atemwiderstand zu minimieren".
Ohnehin sei der Schutzeffekt der FFP2-Maske nur dann umfassend gewährleistet, wenn diese "durchgehend und dicht sitzend getragen" werde. Im Dokument wird auf Empfehlungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zum Einsatz von Schutzmasken im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 verwiesen. FFP2-Masken würden demzufolge "nicht zur privaten Nutzung empfohlen".
Zwischenzeitlich nahm Bundeskanzlerin Angela Merkel laut Informationen der Nachrichtenagentur AFP den Bundesgesundheitsminister Spahn vor Kritik in Schutz. Die Vorwürfe seien demzufolge "von Fakten einfach nicht gedeckt, um es mal ganz vorsichtig zu sagen." Die Masken seien "mit Stimmen der SPD in die nationale Pandemiereserve aufgenommen worden".
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