"Das nervt die Leute" – Sachsen-Anhalts Ministerpräsident zur Bundesnotbremse und Identitätspolitik

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff macht die "Bundesnotbremse" für schlechte Stimmung im Land verantwortlich. Auch zu viel Eifer bei der Identitätspolitik kritisiert er – das habe mit Nöten der Menschen nichts gemein und beflügele die AfD.

Eine Woche vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt hat der Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) die Bundesregierung für schlechtere Umfragewerte in seinem Bundesland mitverantwortlich gemacht. Haseloff kritisierte in der Welt am Sonntag insbesondere das Gesetz zur "Bundesnotbremse", mit dem die Bundesregierung in der Pandemiebekämpfung mehr Vollmachten auf Kosten der Bundesländer erhalten hatte.

"Schauen Sie auf die Umfragen vor und nach der Verabschiedung dieses Gesetzes."

Das Gesetz habe "sicher ungewollt den rechten Extremisten in die Hände gespielt", sagte Haseloff. "Die Stimmung ist einfach nicht gut, und das kommt gewissen Kräften zugute – ich meine die AfD", sagte Haseloff. Aktuelle Umfragen für die bevorstehende Wahl in Sachsen-Anhalt deuten auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und AfD um Platz 1 hin.

Der Zuspruch für die AfD habe auch mit der Hybris auf der linken Seite des politischen Spektrums zu tun. Sie hebe Themen in den Mittelpunkt, die für die meisten Menschen eher nachrangig seien und noch mehr zu Verdruss führten.

"Dieses wachsende Frustpotenzial wird von der AfD gehoben", sagte Haseloff.

"Die linke Identitätspolitik nimmt inzwischen irrationale Züge an", so der CDU-Politiker. Als Beispiel nannte er die gendergerechte Sprache: "Wie das geradezu missionarisch durchgedrückt wird, nervt viele Leute, weil es mit den Lebenswelten vieler Menschen nicht mehr das Geringste zu tun hat", sagte er:

"Im Osten definieren sich selbstbewusste Frauen über ihre Leistung und nicht über das 'Binnen-I'."

Als eine Lehre aus der Pandemie zieht Haseloff, dass Deutschland zukünftig in vielen Bereichen autark werden muss. "Produktionskapazitäten, Forschungseinrichtungen, Medikamente – all das muss in einem ausreichenden Maß in Deutschland bereitstehen", sagte der CDU-Politiker dem Bericht zufolge. Deutschland müsse Produktionskapazitäten aus Asien zurückholen und dafür auch bereit sein, unter seinen Hochlohnbedingungen mehr Geld auszugeben. "Es kann nicht sein, dass wir auf pharmazeutische Zusatzstoffe, Masken oder Medikamente warten müssen, weil aus Asien aufgrund der Pandemie nicht mehr ausreichend geliefert werden kann", so der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt.

Umfragen: CDU und AfD die stärksten Kräfte

Reiner Haseloff, 1954 geboren und promovierter Physiker von der Humboldt-Universität in Ostberlin, ist seit 2011 Regierungschef von Sachsen-Anhalt. Derzeit führt der er eine sogenannte "Kenia"-Koalition (Schwarz-Rot-Grün) aus CDU, SPD und Grünen an. Bei der Landtagswahl 2016 hatte die CDU noch 29,8 Prozent der Stimmen errungen, vor der AfD mit 24,3 Prozent, der Linken mit 16,3 Prozent und der SPD mit 10,6 Prozent. Die Grünen erreichten damals in Sachsen-Anhalt 5,2 Prozent.

Eine Woche vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt liegt die CDU in einer ARD-Vorwahlbefragung auch diesmal vor der AfD. Wäre bereits am kommenden Sonntag Wahl, käme die CDU auf 28 Prozent und die AfD auf 24 Prozent, ergab der Sachsen-Anhalt-Trend von infratest dimap im Auftrag der ARD-Tagesthemen nach einer Mitteilung vom Donnerstag.

Eine andere Umfrage sieht die AfD dagegen knapp vor CDU: Demnach käme die AfD auf 26 Prozent der Zweitstimmen, die CDU rutscht auf 25 Prozent ab, wie die Bild-Zeitung unter Berufung auf eine Befragung des Meinungsforschungsinstituts Insa berichtete. Auf den dritten Platz käme die Linke (13 Prozent) vor den Grünen (11), der SPD (10) und der FDP (8 Prozent).

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