Bei CDU-Funktionären sorgen Äußerungen des Direktkandidaten für den Bundestag Hans-Georg Maaßen für Verärgerung, berichtet der Spiegel. So beobachtet der Europaabgeordnete Dennis Radtke bei Maaßen "ein Weltbild, das eine unappetitliche Melange aus Verbitterung, Populismus, Aluhut und Selbstradikalisierung ist, die für einen ehemaligen Spitzenbeamten bemerkenswert und bedenklich zugleich ist". Und der Bundestagsabgeordnete und CDU-Vorsitzende in Hamburg Christoph Ploß sagt: "Die Union war immer dann erfolgreich, wenn sie alle Strömungen integriert und sich gleichzeitig klar von Extremismus und Antisemitismus in jeglicher Form abgegrenzt hat."
Laut Spiegel habe Maaßen, der in Südthüringen als Direktkandidat für die Bundestagswahl aufgestellt wurde, in Videointerviews auf AfD-nahen und neurechten Portalen Verschwörungstheorien – sogar antisemitisch konnotierte – verbreitet und die Bürger aufgefordert, "alternative Medien" zu nutzen. So habe er gesagt:
"Was Politiker aus uns machen wollen, sind Untertanen, die auf die 20-Uhr-Nachrichten schauen, um zu hören, was die politische Elite entschieden hat, was wir zu tun und wie wir uns zu benehmen haben."
Auch seine eigene Partei, die CDU, gehe Maaßen scharf an: Der Machtkampf um die Kanzlerkandidatur zwischen Armin Laschet und Markus Söder sei nur ein Ablenkungsmanöver gewesen, da in derselben Woche das Infektionsschutzgesetz von Union und SPD "durchgedrückt worden" sei.
Dies sei laut dem Magazin Spiegel eine "absurde Verschwörungstheorie" – wie viele andere auch. Ein Reporter-Team hat die Auftritte des CDU-Politikers in den letzten anderthalb Jahren bei rechten und AfD-nahen Medien angeschaut und analysiert. "Der Jurist wehrt sich dagegen, in die rechte Ecke gestellt zu werden, zugleich begibt er sich selbst ständig dorthin", stellt der Spiegel fest.
So gab Maaßen etwa auch Plattformen wie "Atlas-Initiative" Interviews, deren Vorsitzender Ökonom Markus Krall rechte Umsturzfantasien vertrete und der AfD nahestehe. Auch von "Politik Spezial – Stimme der Vernunft" habe Maaßen sich befragen lassen. Der Kopf dieser Plattform, Markus Gärtner, sei Autor des verschwörungsideologischen Kopp-Verlags und beim Blog "PI-News", das der von 2012 bis 2018 von Maaßen geführte Verfassungsschutz als "erwiesen extremistisch" einstufte. Auch der deutschsprachigen Ausgabe der umstrittenen Epoch Times habe Maaßen Interviews gegeben. Außerdem moderiere er bei einem rechten Blogger eine Sendung mit, wo er deutschen Medien u.a. "Agitation und Propaganda" vorwirft. Sie nähmen sich laut Maaßen Beispiel an den US-Medien, die offen zugeben, am Sturz des US-Präsidenten Donald Trump beteiligt gewesen zu sein.
Letzte Woche rückte Maaßen wieder in den Fokus der Öffentlichkeit, als ihm die Klimaaktivistin Luisa Neubauer in einer ZDF-Talkshow die Verbreitung antisemitischer und rassistischer Inhalte vorwarf. Er habe sich bei den Rechtsextremen üblicher Begriffe bedient, als er von "Globalisten" redete.
Maaßen selbst teilte auf Anfrage mit: "Meine Gegner können nicht kritisieren, was ich inhaltlich sage, also müssen sie Kontaktschuldvorwürfe erheben und Framing mit meiner Sprache betreiben, um mir indirekt Ansichten zu unterstellen, die ich nicht habe." Das sei, findet Maaßen, bösartig und letztlich demagogisch. Den Vorwurf des Antisemitismus wies er gleichfalls zurück.
Skandale um Maaßen stellen die CDU-Parteigrößen wie Laschet oder Merz vor Dilemma. Einerseits wollen sie die sogenannten wertekonservativen Wähler mit zu viel Kritik an Maaßen nicht verprellen. Auf der anderen Seite müssen die immer lauter werdenden Vorwürfe der Medien erwidert werden. Maaßen könnte für die CDU – trotz überzeugender Wahl zum Kanzlerkandidaten in seinem neuen Wahlkreis – wieder toxisch werden.
Vorerst wollte Armin Laschet, der Maaßen gegen den Vorwurf des Antisemitismus verteidigte, zu den Spiegel-Vorwürfen keine Stellung nehmen. "Es wird zu den Äußerungen von Herrn Maaßen keine Kommentierung von der CDU geben", teilte ein Sprecher mit. Er habe immer Wert daraufgelegt, in seiner Landesregierung die Strömungen der CDU mit unterschiedlichen Personen zu integrieren und zu repräsentieren, sagte Laschet früher zur Maaßens politischen Ambitionen. Aber im Bund und in der Partei gebe es da seit Jahren Leerstellen.
"Jetzt platzt einem Teil der Basis einfach der Kragen. Maaßens Aufstellung ist eine Reaktion darauf, dass sich ein Teil der Wähler und der Mitglieder in der Besetzung der Regierung und der CDU nicht mehr wiederfinden."
Er warnte jedoch ausdrücklich vor der Annäherung an die AfD – auch Maaßen müsse sich daran halten, nicht mit der AfD zu kooperieren oder zu sprechen.
Friedrich Merz sagte in der Welt am Sonntag zur parteiinternen Kritik an der Nominierung Maaßens: "Wir müssen die Union … wieder so breit aufstellen, dass sich auch liberale und wertkonservative Wähler bei uns zu Hause fühlen. Die Aufstellung von Hans-Georg Maaßen ist die späte Projektion einer Entwicklung, die seit 20 Jahren zu beobachten ist. In der CDU wird heute nicht mehr das ganze Spektrum der Union abgebildet. In manchen Landesregierungen ist das anders."
Maaßen selbst argumentiert ähnlich: "Ich möchte Menschen, die aus Protest AfD wählen, überzeugen, wieder die CDU zu wählen".Er weist darauf hin, dass es er gewesen sei, der als Verfassungsschutzpräsident im Jahre 2018 die AfD-Prüfung initiiert habe. Er stehe zum Abgrenzungsbeschluss der CDU, der eine Zusammenarbeit mit Linken und AfD nicht zulasse.
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