"NSU 2.0": Mutmaßlicher Verfasser von Drohschreiben festgenommen

Der mutmaßliche Verfasser der mit dem Synonym "NSU 2.0" unterzeichneten rechtsextremen Drohschreiben ist in Berlin festgenommen worden. Unklar ist jedoch weiterhin, wie die Daten über die Adressaten der Schreiben beschafft werden konnten.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main teilte am Montag mit, dass ein mutmaßlicher Verfasser von rechtsextremen Drohschreiben bei einer Wohnungsdurchsuchung in Berlin festgenommen wurde. Der 53-Jährige erwerbslose Mann stehe im Verdacht, "seit August 2018 unter dem Synonym 'NSU 2.0' bundesweit eine Serie von Drohschreiben mit volksverhetzenden, beleidigenden und drohenden Inhalten verschickt zu haben".

Die Schreiben waren zuerst an die Anwältin Basay-Yildiz, die im NSU-Prozess eine Opferfamilie vertrat, gerichtet worden. Sie und ihre Familie hatten von August 2018 an Beschimpfungen und Morddrohungen per Fax erhalten. Doch auch weitere Personen vor allem aus der Medienwelt sowie Bundes- und Landtagsabgeordnete waren Adressaten der insgesamt mehr als 100 Briefe.

Zudem soll der Festgenommene mit der Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen aufgefallen sein. Auch gehe es noch um weitere Delikte, darunter Urkundenfälschung, Beleidigung und Weitergabe von jugendpornografischem Material, wie der Tagesspiegel erfahren haben will.

Noch unklar ist, wie die Informationen über die Angeschriebenen beschafft wurden. Der mutmaßliche Täter könnte telefonisch Anfragen bei Behörden wie etwa dem Einwohnermeldeamt gestellt haben. Eine Beschaffung der Daten über das Darknet sei ebenfalls denkbar. Bislang stand jedoch auch der Verdacht im Raum, es könne Helfer mit Zugang zu Polizeicomputern gegeben haben. Ermittlungen nach einer entsprechenden Datenabfrage hatten damals zu der Aufdeckung einer rechtsextremen Chat-Gruppe innerhalb der hessischen Polizei geführt. Zudem seien Basay-Yildiz und ihre Familie auch dann noch bedroht worden, nachdem die hessische Polizei eine Auskunftssperre eingerichtet hatte. Der Mann selbst sei jedoch nie Bediensteter der Polizei weder in Hessen noch in einem anderen Bundesland gewesen, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Rechtsanwältin Basay-Yildiz wollte sich gegenüber dem Tagesspiegel aber zurückhalten, da "für mich viele Fragen offen sind". Die Sprecherin der Staatsanwalt Frankfurt am Main sagte am Dienstag, die Ermittlungen seien mit der Festnahme noch nicht abgeschlossen, wie die FAZ berichtet. Ähnlich äußerte sich auch der Präsident des Bundeskriminalamtes Holger Münch. Demnach bleibe es zunächst abzuwarten, was die Auswertung von in der Wohnung des Festgenommenen sichergestellten Datenträgern erbringe. Der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) sprach indes von einem "herausragenden Ermittlungserfolg, sollte sich der dringende Tatverdacht (…) bestätigen", wie die FAZ weiter berichtet. Beuth führt aus:

"[Die] jahrelangen widerlichen Drohungen und Einschüchterungen gegen Personen des öffentlichen Lebens können nun in einem rechtsstaatlichen Verfahren geahndet werden."

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