Seit Samstag vergangener Woche greift in zahlreichen Städten und Landkreisen die sogenannte Corona-"Notbremse" des Bundes. Betroffen sind Gebiete, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz – die Zahl der neuen Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche – über dem Wert von 100 lag. Die erst jüngst vom Bundestag und Bundesrat beschlossenen Neuregelungen des Infektionsschutzgesetzes sehen dann unter anderem nächtliche Ausgangssperren vor. Und diese sind besonders umstritten.
Doch ein entscheidender Punkt des erweiterten Bundesgesetzes ist jedoch, dass man gegen einzelne Regelungen nur noch vor dem Bundesverfassungsgericht klagen kann – nicht mehr vor den einzelnen Verwaltungsgerichten in den Bundesländern. Letzten Monat setzte bereits die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt Mainz eine abendliche Ausgangssperre aus, nachdem das Verwaltungsgericht in einem Eilverfahren die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte.
In einem Gespräch mit Kulturschaffenden am Dienstag verwies Bundeskanzlerin Angela Merkel nochmals darauf, dass durch das neue Bundesgesetz unter anderem ein Flickenteppich an Regeln verhindert wird. Zudem sagte Merkel: "Wir haben nicht mehr die unterschiedlichen Verwaltungsgerichts-Entscheidungen." Doch für diese Betrachtungsweise erntet sie nun scharfe Kritik.
Der Präsident des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts Andreas Heusch sagt dazu:
"Wenn die Bundeskanzlerin es als Mehrwert sieht, dass die Verwaltungsgerichte ausgeschaltet werden, dann frage ich mich, was für ein Verständnis vom Rechtsstaat sie hat."
Wie die Rheinische Post berichtet, erklärte Heusch bei einem Jahresgespräch des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts, dass sich gerade in den letzten Monaten "die Bedeutung der Verwaltungsgerichte für den Rechtsstaat gezeigt" habe. Man habe immer mit Augenmaß entschieden. Der Verwaltungspräsident fügte hinzu: "Die sogenannte Bundes-'Notbremse' berührt die Grundfeste des Rechtsstaats."
Kritik gab es auch von der Vizepräsidentin Nicola Haderlein, die die Bundes-"Notbremse" als "Beschneidung des Rechtsweges" bezeichnete. "Die Verfassungswidrigkeit springe ins Auge", so Haderlein. Laut dem Bericht der Rheinischen Post führte sie auch an, dass die "Notbremse" gegen Artikel 2, Absatz 1 des Grundgesetzes verstoße, demnach nämlich gegen die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Weiter soll sie erklärt haben, dass man Grundrechte nicht durch ein Gesetz einschränken könne, sondern nur aufgrund eines Gesetzes. Bei der Bundes-"Notbremse" sei dies aber nicht geboten, wird Haderlein in dem Bericht zitiert.
Mehr zum Thema - Die "Oxford-Studie" als Argument für die Notbremse: Laut Studienautoren eine "Fehlinterpretation"