Eine Corona-Testpflicht für Unternehmen rückt näher, aber die Wirtschaft ist dagegen und geht zunehmend auf Konfrontationskurs zur Bundesregierung. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger erklärte Ende März, die privaten Unternehmen hätten ihre Testanstrengungen stark ausgeweitet: Wer ständig eine gesetzliche Regelung androhe, erkenne dieses Engagement nicht an. "Ein Testgesetz schafft nicht mehr Schutz, sondern mehr Bürokratie, mehr Kosten, weniger Eigeninitiative und einen Haufen ungeklärter rechtlicher und organisatorischer Fragen." Auch das Handwerk lehnte eine Testpflicht ab.
Die Wirtschaftsvertreter regierten auf Aussagen von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die CDU-Politikerin hatte sich Ende März in der ARD-Sendung Anne Will mit der Umsetzung der Selbstverpflichtung der Wirtschaft unzufrieden gezeigt, dass jeder Mitarbeiter, der nicht im Homeoffice ist, sich möglichst zweimal pro Woche testen lassen kann und dies auch bescheinigt wird. Sie habe den Eindruck, dass dies nicht flächendeckend umgesetzt werde. Man müsse das Testen in den Betrieben "wahrscheinlich" verpflichtend machen.
Die Debatte kommt zu einer Zeit, in der das Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft nicht das Beste ist. Wirtschaftsverbände waren wegen der später von Merkel gekippten "Osterruhe" auf die Barrikaden gegangen. Kritisiert wird außerdem das vergleichsweise langsame Tempo beim Impfen. Auch die Kritik an einer schleppenden Umsetzung der Corona-Hilfen reißt nicht ab.
Mit Blick auch auf die steigenden Infektionszahlen forderte Dulger als Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände: "Gerade in dieser schwierigen Situation können Politik und Wirtschaft nur gemeinsam viel erreichen." Am 8. April ist ein erneuter "Wirtschaftsgipfel" mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) geplant.
Allerdings müssen sich laut einigen Politikern und Gewerkschaftsvertretern die Unternehmen fragen lassen, ob sie genügend dafür tun, die Pandemie einzudämmen – in Sachen Testen, aber auch in Sachen Homeoffice. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Reiner Hoffmann sagte: "Die Selbstverpflichtung allein reicht nicht. Viel zu viele Arbeitgeber weigern sich immer noch, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Testangebote müssen verpflichtend sein, und die Kosten müssen von den Arbeitgebern getragen werden." Jeder persönliche Kontakt, der sich vermeiden lasse, helfe, das Infektionsgeschehen kleiner zu halten.
Eine Befragung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags Mitte März hatte ergeben, dass 19 Prozent der Betriebe regelmäßig Tests anbieten und 28 Prozent der Firmen planen, dies in Kürze zu tun. Die Hälfte der Betriebe hatte damals noch keine konkreten Pläne für eine Teststrategie – allerdings arbeiteten laut Umfrage 23 Prozent der Firmen ausschließlich im Homeoffice. Dazu kommt, dass viele Firmen etwa in der Gastronomie im Lockdown sind.
Noch vor Ostern wollen die Spitzenverbände einen Bericht zur Umsetzung der Tests vorlegen. Zwar dürfte die Zahl der Unternehmen, die solche anbietet, deutlich gestiegen sein. Die Frage aber ist, ob die Messlatte der Bundesregierung erreicht wird. Kanzleramtsminister Helge Braun hatte der Bild am Sonntag gesagt: "Klar ist, wenn es nicht zwei Drittel bis drei Viertel der Firmen sind, ist es zu wenig." Merkel hatte von "Richtung 90 Prozent" gesprochen.
Im Handwerk steige die Zahl der Betriebe, die teste, so Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer: "Nur mit einer gesunden und leistungsstarken Belegschaft kann schließlich ein Betrieb ohne Produktionsausfälle funktionieren und unseren Kunden sichere Dienstleistungen anbieten." Es brauche keine gesetzliche Verpflichtung.
In der Wirtschaft wird zugleich auf Lieferschwierigkeiten verwiesen. Es stünden derzeit nicht genügend Test-Kits zur Verfügung, so Wollseifer. Dagegen hatte die Bundesregierung allgemein betont, es seien inzwischen ausreichend Schnelltests auf dem Markt.
Streit zwischen Politik und Wirtschaft gibt es auch beim Thema Homeoffice. Merkel kritisierte in der ARD, die Umsetzung sei "lasch" geworden. Arbeitgeber sind nach der Corona-Arbeitsschutzverordnung verpflichtet, Homeoffice anzubieten. Arbeitnehmer sollen das Angebot annehmen, soweit sie können.
Kommt es nun zu mehr Kontrollen, wie Merkel andeutete, oder zu schärferen Vorgaben? Das Land Berlin ist schon vorgeprescht, weil aus Sicht der Landesregierung die Regeln auf Bundesebene nicht ausreichen und Firmen zu wenig aktiv geworden seien: Berliner Unternehmen müssen 50 Prozent ihrer Büroarbeitsplätze im Homeoffice anbieten.
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(dpa/rt)