Für Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer steht fest: Russland ist "für uns eine sehr greifbare Bedrohung, sowohl konventionell als auch atomar". Aber auch China sei "eine systemische und strategische Herausforderung" und stehe in einer "systemischen Auseinandersetzung" mit Deutschland. Das sagte die CDU-Politikerin in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Ihre Schlussfolgerung lautet, dass die Bundeswehr deswegen fulminant aufgerüstet werden muss:
"Wenn wir sicher und in Wohlstand leben wollen, müssen wir in unsere Sicherheit investieren."
Aus Kramp-Karrenbauers Sicht steht Deutschland vor wachsenden Herausforderungen – "bei neuen Technologien, in Form von hybriden Bedrohungen, aber auch regional etwa mit Blick auf das Verhalten Russlands". Russland steht für die Verteidigungsministerin ganz vorne auf der Liste der Bedrohungen – insbesondere in Sachen "hybrider Bedrohung".
"Denn es geht um Angriffe, die auch von innen geführt werden. Dabei steht Deutschland nicht zuletzt bei Attacken, die mit Russland in Verbindung gebracht werden können, besonders oft im Fokus."
Da aus ihrer Perspektive die Sicherheit Deutschlands bedroht ist, macht Kramp-Karrenbauer deutlich, dass mehr in die Verteidigungsausgaben investiert werden müsse. Die aktuelle "mittelfristigen Finanzplanung" sehe "einen Anteil der Verteidigungsausgaben von 1,2 Prozent am Bruttoinlandsprodukt". Das sei "nicht tragbar" und "nicht einmal annähernd ausreichend für die Weiterentwicklung unserer Fähigkeiten, um den Bedrohungen wirksam begegnen zu können". Es müssten die "großen Rüstungsprojekte" wie etwa "die Nachfolge des Kampfflugzeuges Tornado, der Ersatz der veralteten Flottendienstboote, die Beschaffung von Luftfahrzeugen zur U-Boot-Abwehr sowie ein Taktisches Luftverteidigungssystem" abgesichert werden, außerdem "Digitalisierungsprojekte oder ein neuer Schwerer Transporthubschrauber". Derzeit sieht die Verteidigungsministerin bis 2025 "eine Differenz" zum errechneten Bedarf an Rüstungsausgaben "im deutlich zweistelligen Milliardenbereich".
"Wir brauchen mehr Geld für die Sicherheit Deutschlands und Europas, diese Realität sollten wir anerkennen. [...] Wir werden auf jeden Fall mehr Geld in die Hand nehmen müssen."
Hoffnungen setzt Kramp-Karrenbauer diesbezüglich auf "die nächsten Koalitionsverhandlungen". Bislang haben "SPD-interne Debatten" bestimmte Rüstungsprojekte – wie etwa "bewaffnete Drohnen", die Kramp-Karrenbauer "gern" gehabt hätte – zunichtegemacht.
"Europa und der Westen, dürfen nicht die Schwächeren sein"
Zu den großen Herausforderungen zählt die Verteidigungsministerin nach Russland auch China auf:
"Russland mit seinem Waffenarsenal ist anders als China für uns eine sehr greifbare Bedrohung, sowohl konventionell als auch atomar. Allerdings hat China einen sehr ehrgeizigen Plan, nämlich die eigene Armee zur größten und modernsten der Welt zu machen."
Zwar sei China "ein ganz wichtiger Handels- und Wirtschaftspartner", aber gleichzeitig "eine systemische und strategische Herausforderung". Besonders kritisiert Kramp-Karrenbauer angebliche Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren in China, die "unserem Verständnis einer universellen Geltung von Menschenrechten" widersprechen.
"Wir sind Teil der westlichen Welt und müssen dafür sorgen, dass die Menschenrechte gelten."
China hingegen habe "erkennbar den Anspruch, die Weltordnung in seinem Sinne zu prägen und dafür Schwächere zu bestimmtem Verhalten zu zwingen". Kramp-Karrenbauer betont, was das aus ihrer Sicht bedeutet:
"Wir, das heißt Europa und der Westen, dürfen nicht die Schwächeren sein. […] Wenn wir wollen, dass die künftige Welt so aussieht, wie wir uns das aus demokratischer Sicht wünschen, müssen wir etwas tun."
Aus diesem Grund entsendet die Bundesmarine im August "eine Fregatte in den Indopazifik". Das soll laut Kramp-Karrenbauer "als Zeichen verstanden" werden: "Die Situation im Indopazifik geht uns natürlich etwas an." Es sei "im deutschen und europäischen Interesse", für "freie Handelswege", "territoriale Unversehrtheit" und die Stärkung "unserer demokratischen Partner in der Region wie Australien, Japan, Südkorea oder Singapur" zu sorgen. Deswegen dürfe man "nicht nur schöne Worte machen", sondern müsse "wirklich etwas tun".
Abzug aus Afghanistan – neue Bundeswehreinsätze in Afrika?
Kramp-Karrenbauer verteidigt im Interview ihr Ziel, die Bundeswehr aus Afghanistan abzuziehen – allerdings nicht sofort, denn dann "gäbe es für die Taliban wenig Grund, am Verhandlungstisch zu bleiben". Es gehe aber mit der Mandatsverlängerung "nicht um eine dauerhafte Präsenz der Bundeswehr in Afghanistan". Man habe nicht "zwangsläufig" vor, "bis Januar 2022 zu bleiben, auch wenn das das Enddatum des verlängerten Mandats ist". Vielmehr gehe es um einen "geordneten Abzug".
Bis dahin sieht Kramp-Karrenbauer aber eine "größere Bedrohung" der Bundeswehr-Soldaten, da die Taliban erklärt hätten, sich nach dem 30. April nicht mehr an das Abkommen von Doha zu halten, und "wieder Gewalt gegen die internationalen Truppen" planten. Deswegen sollen "Verstärkungskräfte, zusätzliche Bewaffnung, Ausrüstung und Munition schnell dorthin gebracht" werden.
Trotz einer möglichen Rückkehr der Taliban an die Macht hält die Verteidigungsministerin den Einsatz in Afghanistan für einen Erfolg. Schließlich habe "der Terror von Al-Qaida in Afghanistan" seinen "staatlich unterstützten Vorbereitungs- und Rückzugsraum" verloren. Es gebe außerdem "durchaus auch Erfolge" in Sachen "Frauenrechte und Demokratie", die "gemessen an der Ausgangssituation nicht gering geachtet werden dürfen". Zudem habe "die Bundeswehr selbst aus 20 Jahren Afghanistan militärisch sehr viele Lehren gezogen".
Für künftige Auslandseinsätze der Bundeswehr fordert Kramp-Karrenbauer allerdings eine realistischere Zielsetzung. Wörtlich benennt sie "das nächste deutsche Engagement, zum Beispiel in der Sahelzone".
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