Der SPD-Politiker Karl Lauterbach fordert angesichts stark steigender Corona-Infektionszahlen nicht nur eine Rücknahme der jüngsten Lockerungsschritte, sondern zudem noch schärfere Maßnahmen, als sie bis Anfang März galten. Vor dem Bund-Länder-Gipfel erklärte Lauterbach am Sonntag in der Welt:
"Wir brauchen eigentlich einen härteren Lockdown, als wir ihn bis Anfang März hatten – und zwar jetzt bis Mitte April."
Es gehe darum, die Zeit zu überbrücken, bis die Impfungen Tempo aufnähmen sowie flächendeckend in allen Schulen und Betrieben Schnelltests zur Verfügung stehen werden.
"Ideal wäre ein kurzer, harter Lockdown für drei bis vier Wochen, bis das Testen in Schulen und Betrieben richtig steht."
Lauterbach warnte eindringlich vor den mutmaßlichen Folgen der Ausbreitung der Virus-Variante B.1.1.7. Diese sei nicht nur ansteckender, sondern auch tödlicher. Bestätigung findet der Gesundheitspolitiker etwa in einer britischen Untersuchung der University of Bristol und der University of Exeter. Demzufolge hätte man herausgefunden, "dass das erhöhte Sterberisiko bis zu 64 Prozent betragen könne".
"Nach ihrer Analyse hatten Patienten mit einer B.1.1.7-Infektion eine um 32 bis 104 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, innerhalb von 28 Tagen nach einem positiven Test an der Infektion zu sterben."
Lauterbach zeigte sich am Sonntag alarmiert. Kinder steckten sich nun leichter an, und 70-Jährige würden fast so häufig wie früher 80-Jährige sterben. Der SPD-Politiker stellte einen direkten Zusammenhang zwischen einem "härteren Lockdown" und der erfolgreichen Eindämmung der Mutante B.1.1.7 her:
"Alle Länder, die die Mutation B.1.1.7 in den Griff bekommen haben, brauchten dazu einen härteren Lockdown, als wir ihn derzeit haben. Niemand kam dabei ohne Ausgangssperren aus."
Absolut kein Verständnis konnte Lauterbach am Montag für eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Nordrhein-Westfalen aufbringen. Das OVG hatte die Vorschriften der Coronaschutzverordnung des Bundeslandes zur Beschränkung des Einzelhandels vorläufig außer Kraft gesetzt. Diese, heißt es in der Urteilsbegründung, seien nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar. Im Kölner Stadtanzeiger heißt es dazu:
"Ab sofort gilt damit für den gesamten Einzelhandel im bevölkerungsreichsten Bundesland keine Kundenbegrenzung pro Quadratmeter mehr und auch das Erfordernis einer Terminbuchung entfällt."
Es sei nach Auffassung von Lauterbach nicht zu vertreten, dass Buchhandlungen, Schreibwarenläden und Gartenmärkte mit ihrem gesamten Sortiment unter vereinfachten Bedingungen – also etwa ohne Terminbuchungen – betrieben werden dürften, Modegeschäfte oder Elektronikketten jedoch nicht. Eine Filialen der Elektronikkette Media Markt hatte in Münster geklagt, für Karl Lauterbach ein alarmierendes Signal:
"Gerichtsentscheidung würde bedeuten, dass Einzelhandel wieder offen wäre. Das würde zu mehr Kontakten und noch schnellerer Verbreitung der 3. Welle führen."
Bis zur Vorbereitung von Antigentests in Betrieben und Schulen solle der Einzelhandel unbedingt geschlossen bleiben, forderte der Gesundheitsökonom.
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(dpa/rt de)