"Das Böse geht nicht weg, wenn man es ignoriert", mit diesem Satz beginnt die Abrechnung Kachelmanns mit der Bild und dem Axel Springer Verlag. In einem längeren Text lässt der Schweizer kein gutes Haar an dem Boulevardblatt und dessen Mutterhaus. Auslöser für den Text war nach Angaben Kachelmanns eine Anfrage des Magazins Stern, der offenbar um einen Kommentar zur aktuellen Diskussion um den Bild-Chefredakteur Julian Reichelt gebeten hatte.
Da der Stern laut Kachelmann seinen Kommentar jedoch nicht veröffentlichte, besorgte das Kachelmann selbst, indem er den Text auf seinem Twitter-Kanal postete. In seinem Beitrag schreibt Kachelmann unter anderem, dass das Böse nicht weggehe, nur weil man so tue, dass es nicht da sei. Eine Anspielung auf diejenigen, die zwar um die Bild-Zeitung wissen, diese aber geflissentlich ignorieren, und "allenfalls bei Freunden ARTE schauen", wie Kachelmann schreibt.
Das Böse, in Kachelmanns Fall sind damit Bild und der Axel Springer Verlag gemeint, sei zu mächtig, um es nur mit Ignoranz zu bekämpfen. Jeder, der einmal eine Bild-Konferenz miterlebt habe, wisse, dass die "Bild-Chefs Menschenverachtung in ihrem virtuellen Pflichtenheft stehen haben und sich auch diesseits der zusätzlichen Vorwürfe als sich gottgleich fühlende Kampfmöpschen auf Testosteron aufführen".
Doch Friede Springer und Mathias Döpfner hätten gelernt, dies geschickt mit einer "'Good cop, bad cop'-Strategie" zu übertünchen. Neben dem, wofür die Bild laut Kachelmann steht, versuche man sich mit "Stiftungen und vorgetäuschter Philanthropie nach außen von den Niederungen des Bild-Elends zu distanzieren". Mit dieser Strategie halte Springer "viele EntscheidungsträgerInnen des Landes in Geiselhaft".
"Vögeln, fördern, feuern"
Wie vor wenigen Tagen bekannt wurde, läuft gegen Julian Reichelt, der seit fast 20 Jahren in unterschiedlichen Funktionen für den Verlag tätig ist, ein sogenanntes Compliance-Verfahren. Hintergrund sind Vorwürfe in einem Beitrag des Nachrichtenmagazins Spiegel, bei denen es unter Berufung auf Informationen von namentlich nicht genannten Bild-Mitarbeitern um Machtmissbrauch und Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen vor allem gegen weibliche Mitarbeiterinnen geht. Reichelt habe laut dem Spiegel-Bericht ein System "Vögeln, fördern, feuern" installiert.
Der Bild-Chefredakteur indes will sich juristisch gegen die Vorwürfe des Spiegels wehren. Er wirft dem Nachrichtenmagazin eine unzulässige Form der Verdachtsberichterstattung vor. Der Spiegel habe ihn vor seiner Berichterstattung nicht mit den darin kolportierten Vorwürfen über angebliche Affären und Machtmissbrauch konfrontiert. Doch Kachelmann sieht in seiner Abrechnung mit Bild und Springer ein viel größeres Problem. Springer sei "eine Katastrophe für Deutschland" schreibt der 62-Jährige. Der Verlag bestimme den hasserfüllten Diskurs auf allen Ebenen. Springer sei auch die Ursache, "dass in die dritte Welle der Pandemie gelockert wird, weil PolitikerInnen vor Angst glauben, dass Bild ,'die Menschen' ist", so der Schweizer weiter.
Es gäbe eine Angst, "dass man vor den Bus geworfen wirft, wenn man nicht pariert". Und weiter:
"Erst wenn alle den Mut haben, nicht mehr übers Bild-Stöckchen zu springen, den Mut haben, sich nicht mehr nötigen zu lassen und Friede Springer und Mathias Döpfner für ihr bösartig kalkuliertes Geschäft mit der Menschenverachtung gesellschaftlich konsequent ausgrenzen, kann Deutschland ein besseres Land werden."
Doch auch andere Medien kriegen ihr Fett weg. Das "fröhliche Sabbern und die klammheimliche Freude in den Nichtbild-Medien" sei damit zu erklären, dass "das Böse kurz etwas wehrloser scheint". "Da fallen alle Hemmungen", so Kachelmann. Jetzt könne man "als Edelfeder vorauseilend drauftreten, wenn es alle tun und man hoffen kann, dass man diesem Reichelt nie mehr beim nächsten 'Ein Herz für Kinder' begegnet und deshalb gefahrlos sein wohlfeiles Mütchen kühlen kann", so Kachelmann.
Kachelmann weiß, wovon er spricht
Der Schweizer Moderator hat auch schon persönlich die "Macht des Axel Springer Verlags" zu spüren bekommen. Am 20. März 2010 wurde Kachelmann wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung einer Frau, mit der er eine intime Beziehung hatte, festgenommen. Die Staatsanwaltschaft Mannheim erhob am 19. Mai 2010 beim Landgericht Mannheim Anklage gegen Kachelmann wegen des Verdachts der besonders schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Am 31. Mai 2011 endete das erstinstanzliche Verfahren vor dem Landgericht Mannheim mit einem Freispruch. Gegen den Freispruch legten die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin zunächst Revision ein, die sie am 7. Oktober 2011 jedoch zurücknahmen. Der Freispruch vom 31. Mai 2011 ist damit rechtskräftig.
Mitte Juni 2014 wurde bekannt, dass Kachelmann neben anderen Medien auch gegen die Bild-Zeitung Schmerzensgeld-Forderungen erhoben hatte, da deren Berichterstattung unter Verletzung des Persönlichkeitsrechts seinen Ruf und somit die berufliche Grundlage zerstört hätten. Der Axel Springer Verlag wurde Ende September 2015 zunächst vom Landgericht Köln zu einer Schmerzensgeldzahlung von 635.000 Euro verurteilt, nachdem Vergleichsgespräche gescheitert waren. In zweiter Instanz wurde diese Summe im Juli 2016 auf 395.000 Euro reduziert. Eine Beschwerde von Springer lehnte der BGH letztinstanzlich ab.
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