Der Chefredakteur der Bild-Zeitung, Julian Reichelt, wird presserechtlich gegen den Spiegel vorgehen. Das schreibt die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) in Deutschland unter Berufung auf Quellen aus seinem Umfeld. Der Artikel stammt vom in Berlin ansässigen Chefredakteur der NZZ in Deutschland Marc Felix Serrao.
Laut ihm hat das Hamburger Nachrichtenmagazin den 40-Jährigen vor seiner jüngsten Berichterstattung nicht mit den darin kolportierten Vorwürfen über angebliche Affären und Machtmissbrauch konfrontiert. Damit stelle der Spiegel-Bericht ("Vögeln, fördern, feuern") eine unzulässige Form der Verdachtsberichterstattung dar. Am späten Samstagabend teilte Reichelts Arbeitgeber, die Axel Springer SE, mit, dieser habe den Vorstand darum gebeten, bis zur Klärung der Vorwürfe befristet von seinen Funktionen freigestellt zu werden – RT DE berichtete.
Im dem am Donnerstag erschienenen Artikel berichteten vier Redakteure des Magazins von einem "System Reichelt", das wie folgt funktioniert haben soll: Volontärinnen und Praktikantinnen soll der Chefredakteur schon mal über Instagram zum Abendessen eingeladen haben. Junge Mitarbeiterinnen wurden mitunter rasch befördert. Ähnlich rasant gestaltete sich bisweilen ihr Absturz. Intern werde das System auch mit den Worten "Vögeln, fördern, feuern" beschrieben. Was Angestellte des Boulevardblatts über Reichelt erzählten, erinnere an einen "mittelalterlichen Königshof". Wer in der Gunst des "Herrschers" oben stehe, werde gelobt und bisweilen sehr schnell befördert, "Konkubinen inklusive". Aber wer im Ansehen sinke, der oder die werde "verbannt, geschnitten, traktiert oder bloßgestellt".
Nach der Spiegel-Veröffentlichung wurde die NZZ aktiv und fragte am Freitag beim Spiegel nach, ob die vier Autoren Reichelt vor der Veröffentlichung ihres Textes um ein Statement gebeten und mit den Vorwürfen konfrontiert hätten. Im Text kämen lediglich nur Sprecher des Medienunternehmens Axel Springer mit einer allgemein gehaltenen Stellungnahme zu Wort, aber nicht der "Beschuldigte" selbst.
"Und, ja, man habe Reichelt auch persönlich zu kontaktieren versucht", lässt der Spiegel laut der Zeitung durch seinen Sprecher wissen. Doch daran hat sie erhebliche Zweifel, denn wie dieser Kontaktversuch ausgesehen haben soll, habe der Sprecher nicht verraten. Reichelt habe "definitiv niemand" vom Spiegel mit Fragen zu den Vorwürfen im Text konfrontiert, schreibt er mit Verweis auf das Umfeld des Bild-Chefredakteurs.
"Falls das zutreffen sollte, wäre der Spiegel in Erklärungsnot."
"Wenn ein Medium – zumal eines, das sich als Nachrichtenmagazin begreift – derart massive Vorwürfe zu einer Person verbreitet, muss es dieser vorher zumindest die Gelegenheit geben, persönlich dazu Stellung zu nehmen", kritisiert Serrao das Hamburger Magazin, das Ende Februar einen vermeintlichen Enthüllungsbericht über RT DE veröffentlichte. In seinem Bericht hat der Spiegel mehrfach aus internen Mails zitiert, die ihm "vorlagen".
In einer internen Mitteilung an sein Team, die den Medien inzwischen in voller Länge vorliegt, deutet Reichelt an, dass er tatsächlich juristische Schritte unternehmen könnte. Er schrieb:
"Ich werde mich gegen die wehren, die mich vernichten wollen, weil ihnen BILD und alles, wofür wir stehen, nicht gefällt. Die über mich schreiben, ohne mich vorher anzuhören, weil meine Antworten ihnen noch nie gepasst haben."
Mehr zum Thema - Wir sagen von ganzem Herzen: Danke, Spiegel!