Der Pharmakonzern Stada steigt in den Markt für medizinisches Cannabis ein. Das Unternehmen biete ab sofort Blütenprodukte vor allem für chronische Schmerzpatienten an und damit eine ergänzende Therapiemöglichkeit, teilte Stada am Montag in einer Presseerklärung mit.
Stada-Vorstandschef Peter Goldschmidt erläutert:
"Stada ist einer der ersten führenden Arzneimittelhersteller, der mit medizinischem Cannabis in Deutschland sein Portfolio erweitert. Dabei profitieren wir von unserer Expertise im Bereich der Spezialpharmazeutika und ergänzen diese mit einem Produktportfolio in der patientenindividuellen Therapie."
Bei der Therapie mit medizinischem Cannabis gehe es Stada laut dpa um chronische Schmerzpatienten, die trotz etablierter Behandlungen wie etwa Opioiden unter Schmerzen oder deren Nebenwirkungen leiden. Zudem könne medizinisches Cannabis auch bei Patienten mit Spastiken bei Multipler Sklerose und weiteren neurologischen und onkologischen Therapiefeldern eingesetzt werden. Stada-Deutschlandchef Eelco Ockers macht deutlich, es gehe dem Pharmaunternehmen darum, "Patienten ein Stück Lebensqualität zurückzugeben".
Medizinisches Cannabis ist in Deutschland seit 2017 erlaubt und darf von Ärzten verschrieben werden. Die medizinische Wirkung von Cannabis geht vor allem auf die Inhaltsstoffe Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) zurück. THC wirkt berauschend und entspannend, CBD wird eine angstlösende und entspannende, aber auch entzündungshemmende Wirkung zugeschrieben. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für Therapien in den meisten Fällen. Insgesamt seien laut Handelsblatt in Deutschland im vergangenen Jahr mehr als 320.000 Verordnungen bewilligt worden.
In dem vergleichsweise kleinen Markt tummeln sich viele Start-ups sowie ausländische Konzerne, vor allem aus Kanada. Nach Informationen des Marktforschungsunternehmen Insight Health gibt es derzeit etwa 90 Anbieter in Deutschland für Cannabisblüten,
-extrakte oder -arzneimittel. 70 bis 80 von diesen importieren die Cannabisblüten.
Mit dem hessischen Grippostad-Hersteller Stada, der 2019 einen Umsatz von 2,6 Milliarden Euro erzielte, wagt sich nun ein etablierter deutscher Pharmakonzern an medizinisches Cannabis. Gegen das Mittel gibt es immer noch viele Vorbehalte.
Gegenüber dem Handelsblatt äußerte Deutschlandchef Ockers:
"Wir beobachten den Markt für medizinisches Cannabis seit geraumer Zeit und sind zu dem Schluss gekommen, dass es eine interessante Ergänzung unseres Portfolios ist. […] Kurzfristig betrachtet ist es für uns eine Investition, mittelfristig aber wollen wir mit den Produkten wachsen und daran verdienen."
Stada plant zum Start zwei Blütenprodukte auf den Markt zu bringen, um dann in den kommenden Monaten insgesamt fünf Blütenprodukte und drei Extrakte mit unterschiedlichen THC- und CBD-Konzentrationen anzubieten. Das Unternehmen bezieht die Produkte von dem kanadischen Unternehmen MedipharmLabs, mit dem es im Herbst 2020 eine Kooperation geschlossen hat.
Der Pharmakonzern will Ärzten und Apothekern Orientierung und Beratung zum aktuellen Forschungsstand, zu Erfahrungen mit Patienten sowie im Verordnungs- und Erstattungsprozess bieten. Als Hilfe für Ärzte zur Einstellung von Patienten stellt das Unternehmen zusätzlich Auswahl- und Dosierungshilfen zur Verfügung sowie begleitend Materialien und Fortbildungen. Dabei soll laut der Presseerklärung des Unternehmens "ein eigens für medizinisches Cannabis geschulter Außendienst" helfen. Laut Handelsblatt stützt sich das Pharmaunternehmen dabei auf "28 eigens für die Cannabisthematik geschulte Außendienstmitarbeiter".
Dabei sieht Stada den deutschen Markt nicht als Limitierung an. Ockers signalisiert im Handelsblatt: "Wenn andere Märkte Cannabis als Medizin legalisieren, werden wir uns diese sicher anschauen". Der Marktkonkurrent Neuraxpharm zielt beispielsweise neben Deutschland auf die europäischen Länder wie Frankreich, Tschechien, Österreich und Polen.
Der Markexperte Tobias Haber vom Marktforschungsunternehmen Insight Health sieht in Zukunft einen wachsenden Konkurrenzkampf der Pharmakonzerne auf dem Cannabismarkt. Im Handelsblatt argumentiert er:
"Es gibt einige Anbieter, die ein Portfolio auch jenseits der Schmerzindikationen haben, das durch Cannabisprodukte gut ergänzt werden könnte. Der Vorteil von Cannabis ist derzeit ja noch, dass es nicht für eine bestimmte Indikation zugelassen wurde, sondern allgemein für eine schwere Erkrankung."
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