Nachdem durch Medienberichte bekannt wurde, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die gesamte AfD als Rechtsextremismus-Verdachtsfall eingestuft hat, zeigten sich Politiker dieser Partei in einer ersten Reaktion empört: In einer Pressekonferenz erhoben die AfD-Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland und Tino Chrupalla schwere Vorwürfe gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz. Chrupalla erklärte in Bezug auf die durch einen Bericht im Spiegel bekanntgewordene Einstufung der AfD:
"Wir sehen das als absoluten Skandal an, auch, wie hier unseriös Informationen durchgestochen wurden, vom Bundesamt für Verfassungsschutz wahrscheinlich, oder von Bundesinnenministerien, in einem laufenden Prozess, der ja noch ansteht. […] Auch das ist einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland."
Chrupallas Äußerung hat den Hintergrund, dass die Behörde die Partei nun auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten kann. Allerdings hat sich der Verfassungsschutz in einem laufenden Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht dazu verpflichtet, auf eine geheimdienstliche Überwachung von Abgeordneten im Bund, in den Bundesländern und im Europaparlament vorerst zu verzichten. Dasselbe gilt für die Kandidaten bei den anstehenden Wahlen im Jahr 2021.
"Hier hat im Prinzip auch der Staat bzw. das Innenministerium klar die Gerichte belogen, denn hier gab es klar die Vereinbarung, dass ein Stillhalteabkommen getroffen wird, solange das Verfahren läuft. […] Hier wurde ganz klar politisch instrumentalisiert", sagte Chrupalla.
Dies drohe die AfD "gerade in einem Superwahljahr massiv zu schädigen". Weiterhin kündigten Chrupalla und Gauland an, dass man juristisch gegen die Entscheidung vorgehen wolle. Bisher habe man allerdings auch nur aus Medienberichten von der Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz erfahren. Zum jetzigen Zeitpunkt liege der Partei noch keine offizielle Erklärung des Bundesamtes vor, die dies bestätige. Auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD, Leif-Erik Holm, teilte auf Anfrage von RT DE mit, dass man erst durch Presseberichte von der Einstufung erfahren habe:
"Wir haben von der Entscheidung aus den Medien erfahren, das allein ist schon ein Skandal. Das zeigt, dass die Verunglimpfung unserer bürgerlich-konservativen Partei System hat. Der Verfassungsschutz lässt solche Informationen gezielt an ihm genehme Medien durchsickern, weil er sich rechtlich selbst dazu gar nicht äußern darf. Hauptsache, die AfD wird in der Öffentlichkeit diffamiert. Das beweist, dass hier eine Behörde politisch instrumentalisiert wird."
Weiterhin erklärte Holm, dass man juristisch gegen die Einstufung vorgehen wolle, da man der Partei offenbar im Superwahljahr offenbar bewusst schaden wolle:
"Wir werden uns mit allen juristischen Mitteln gegen diese Hinterzimmer-Entscheidung zur Wehr setzen. Offenbar will man uns im Superwahljahr kurz vor zwei wichtigen Landtagswahlen öffentlich beschädigen. Langfristig sollen Beamte und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes aus der Partei gedrängt werden. Das werden wir nicht zulassen. Ich bin mir sicher, dass die Bürger, insbesondere im Osten, dieses politische Spielchen und die Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes durchschauen werden."
Weiterhin erklärte Holm, dass man sich in der AfD gegen Extremismus jeder Art ausspreche. Bei den "wenigen Einzelfällen" von Rechtsextremismus habe man "schnell und konsequent reagiert". Im Gegensatz zu anderen Parteien habe man immer deutlich gemacht, dass man sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekenne. Als Beispiel führte er Die Linke an, die nach Auffassung Holms verfassungsfeindliche Gruppierungen unterstütze, die "Kommunismus und Gewalt predigen".
Auch die baden-württembergische Landesvorsitzende Alice Weidel ist der Meinung, dass der Verfassungsschutz in dieser Frage "rein politisch" agiere. Man wolle deshalb juristisch gegen die Einstufung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz vorgehen:
"Ich bin mir sicher, dass eine solche Einstufung der AfD vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben wird."
In den anderen Partien wird die Einstufung der AfD weitgehend begrüßt: Volker Ullrich, der innenpolitische Sprecher der CSU im Bundestag, zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung des Verfassungsschutzes, denn dies bestätige, dass "sich die AfD im Wesenskern gegen die Demokratie und unsere freiheitliche Ordnung wendet".
Der Unionsfraktionsvorsitzende Torsten Frei (CDU) erklärte gegenüber der Zeitung Augsburger Allgemeine, dass die Entscheidung angeblich "keine politische Motivation" habe. Er sei sich sicher, dass die Entscheidung am Ende "einer gerichtlichen Prüfung standhalten" werde.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte gegenüber dem Spiegel, dass die Beobachtung durch den Verfassungsschutz "genau richtig" sei, denn das "rechtsextreme Gesicht" der AfD sei in den letzten Jahren immer sichtbarer geworden. Der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte, dass er die Entscheidung "gut nachvollziehen" könne:
"Unsere Demokratie ist wehrhaft gegenüber denjenigen, die sie abschaffen und das parlamentarische System abreißen wollen."
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae sagte, dass "eine wehrhafte Demokratie dem Treiben der Rechtsextremen nicht tatenlos zusehen" müsse. Bernd Riexinger, Bundestagsabgeordneter von Die Linke, hätte sich diesen Schritt schon früher erhofft:
"Der Verfassungsschutz ist nun auch mit einigen Jahren Verzögerung in der Realität angekommen und stuft die AfD als rechtsextremen Verdachtsfall ein."
Ulla Jelpke, die innenpolitische Sprecherin von Die Linke, erklärte auf Anfrage von RT DE:
"Es ist seit langem kein Geheimnis, dass die AfD eine demokratiefeindliche, rassistische Vereinigung ist. Dass der Verfassungsschutz scheinbar erst jetzt dahinterkommt, zeigt mal wieder, dass man sich im Kampf gegen Rechts eben nicht auf ihn verlassen kann. Denn der Verfassungsschutz, der nicht zufällig bis Ende 2018 vom faktischen AfD-Sympathisanten Maaßen geführt wurde, ist Teil des Problems, nicht der Lösung."
Jelpke wies außerdem darauf hin, dass nach ihrer Ansicht die Gefahr bestehe, dass der Geheimdienst die AfD nun über V-Leute steuerbar machen will.
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