"Das tut mir von Herzen leid": Kardinal Woelki gesteht Fehler bei Aufarbeitung von Missbrauchsfällen

Seit Wochen steht Kardinal Rainer Maria Woelki unter massivem Druck. Es geht um die Aufarbeitung jahrzehntelanger sexueller Gewalt im Erzbistum Köln und um strittige Gutachten, die der Kardinal unter Verschluss hält. Nun räumt er zum ersten Mal Fehler ein.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat Fehler bei der Aufarbeitung von Missbrauchsvergehen und in seiner Krisenkommunikation eingeräumt. "Da habe ich auch Schuld auf mich geladen", gestand der Erzbischof in einer am Samstag veröffentlichten Videobotschaft ein. "Das tut mir von Herzen leid." Gleichzeitig versicherte er: "Es ging und es geht mir um konsequente Aufarbeitung."

Das noch unveröffentlichte neue Missbrauchsgutachten für das Erzbistum Köln führt Hunderte Opfer und Beschuldigte auf. Es seien mehr als 300 Verdachtsmeldungen, über 300 Opfer und mehr als 200 Beschuldigte, berichtete etwa der Hamburger Spiegel.

Der von der Kirche beauftragte Strafrechtler Professor Björn Gercke bestätigte diese Zahlen. "Die Zahlen sind bekannt, da wir sie bereits in der Vergangenheit zu verschiedenen Anlässen kommuniziert haben", erklärte er am Samstag. Das von Woelki in Auftrag gegebene Missbrauchsgutachten soll am 18. März veröffentlicht werden.

Woelki hält ein erstes Gutachten zum Umgang von Bistumsverantwortlichen mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Priester bisher unter Verschluss, obwohl es seit längerem fertig ist. Er führt dafür rechtliche Bedenken an. Stattdessen hat er das neue Gutachten bestellt. Woelkis Vorgehen hat eine schwere Vertrauenskrise im größten deutschen Bistum ausgelöst.

Der Kardinal, der zeitweilig wochenlang wie abgetaucht schien, äußert sich in dem Video und einem gleichlautenden Fastenhirtenbrief ausführlich und in deutlichen Worten zu der entstandenen Krise. Das Erzbistum sei von Rissen durchzogen, stellt er fest.

"Dabei weiß ich, dass viele Menschen in unserem Erzbistum und darüber hinaus mich persönlich dafür verantwortlich machen."

In den vergangenen Wochen und Monaten hätten ihm Gläubige ihre Irritation deutlich gemacht. "Sie tun sich schwer, nachzuvollziehen, warum es eine zweite unabhängige Untersuchung braucht, um die systematischen Zusammenhänge jahrzehntelangen Missbrauchs in unserem Erzbistum aufzudecken und im Detail aufzuzeigen." Er sei jedoch überzeugt, dass dies erforderlich sei, weil er "eine bestimmte qualitative und quantitative Faktenlage" benötige. Die Kanzlei, die das erste Gutachten erstellt hat, weist alle Vorwürfe zurück.

Woelki versichert in seiner Botschaft:

"Es war und ist meine Absicht, eine transparente, konsequente Aufklärung der Missbrauchsvergehen und ihrer systemischen Umstände in unserem Erzbistum zu erreichen – selbstverständlich auch im Blick auf meine eigene Person."

Der Kölner Kardinal hatte schon früher mitgeteilt, dass der Strafrechtler Gercke 236 Fälle aus dem Erzbistum Köln untersucht habe. Dabei handelt es sich laut Spiegel um die systematische Auswertung von Aktenvorgängen und Zehntausenden Seiten. Der Untersuchungszeitraum reicht zurück bis 1975.

Auffällig ist, dass die jetzt veröffentlichten Zahlen deutlich höher liegen als die Zahlen aus der sogenannten MHG-Studie der Deutschen Bischofskonferenz von 2018. Damals waren für das Erzbistum Köln über einen Zeitraum von 70 Jahren 135 Opfer sexualisierter Gewalt und 87 beschuldigte Kleriker angegeben worden.

Gercke nannte mehrere Gründe für die Unterschiede zur MHG-Studie. So betrachte sein Gutachten nicht nur Kleriker, sondern auch nichtgeweihte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Erzbistums. Zudem sei "zwischen Verdachtsmeldungen und tatsächlichen (Straf-)Taten zu unterscheiden". Auch das zurückgehaltene Münchner Gutachten kommt nach einem Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers (Samstag) zu ähnlichen Opfer- und Beschuldigtenzahlen wie Gercke.

Die Nachfrage nach Kirchenaustritten ist in Köln so in die Höhe geschnellt, dass das Amtsgericht die Zahl der Onlinetermine aufgestockt hat. Aus den Terminbuchungen ist die Konfession der betreffenden Bürger allerdings nicht abzulesen.

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(rt/dpa)