In einem Interview mit dem Deutschlandfunk fordert Gabriel Felbermayr, noch härtere Maßnahmen als die bislang beschlossenen EU-Sanktionen gegen Russland zu ergreifen. Dabei formuliert er unumwunden eine Einmischung des Westens in innere politische Angelegenheiten der Russischen Föderation:
"Die Ziele, die wir gegenüber Russland haben, sind ja sehr große. Wir wollen ja nicht weniger als einen Regimewandel in Russland, das ist sehr schwer zu erreichen mit wirtschaftlichem Druck."
Dazu müssten mehr Länder bei den Sanktionen mitmachen. Auch einen Baustopp von Nord Stream 2 sieht Felbermayr als schlechtes Instrument in der Auseinandersetzung mit der russischen Regierung von Wladimir Putin.
"Wenn man Russland wirklich wirtschaftlich in die Knie zwingen will, dann bräuchte man dazu eine große Koalition von Ländern, da kann Europa allein nicht so viel ausrichten, wie notwendig wäre. Da bräuchte es zumindest auch China an Bord und am besten noch Indien und weitere Handelspartner Russlands. Dass in der Vergangenheit die Sanktionen so schlecht gewirkt haben, hat ja damit zu tun, dass sie unterlaufen werden von anderen Ländern, das ist ein Kernproblem."
Felbermayr kritisierte unter anderem, dass Deutschland unter den Russland-Sanktionen, die es seit 2014 gibt, mehr als jedes Land der Welt leide. Dies sei ein politisches Problem hinsichtlich der Vereinigten Staaten von Amerika, die zwar immer sehr auf Sanktionen pochten und drängten, aber daraus ökonomisch bisher kaum Nachteile gezogen hätten, weil einfach der Handel der USA mit Russland sehr gering sei.
"Da müsste man sicher auch an Ausgleichsmechanismen innerhalb Europas oder innerhalb der westlichen Welt denken, damit der gemeinsame Kampf gegen die Verletzung von Menschenrechten zum Beispiel in Russland, dass der nicht nur von einigen wenigen Ländern wirtschaftlich bezahlt werden muss."
Zur Debatte um Stopp des Baus der Pipeline Nord Stream 2 erklärte Felbermayr, die Bedeutung von Nord Stream 2 für Russland werde in Europa überschätzt. Die Frage sei, wie viele Milliarden Exporterlös Russland in der Europäischen Union mit dem Verkauf von Erdgas erziele. Und ob nun das Erdgas über die Ukraine oder über die Türkei oder über Deutschland in die Europäische Union komme, spiele da keine große Rolle, betonte der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft.
"Es ist vielleicht sogar so, dass durch die Möglichkeit, dann auch eine solche Pipeline wieder stillzulegen oder zu sperren oder mit Auflagen zu versehen, dass da Deutschland sogar einen Hebel bekommt gegenüber Russland, den man sonst nicht hätte."
Felbermayr ist seit März 2019 Präsident des Instituts für Weltwirtschaft. Gleichzeitig hat er eine Professur für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftspolitik, an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel inne. Seine Forschungs- und Beratungstätigkeit konzentriert sich auf Fragen der ökonomischen Global Governance, der europäischen Wirtschaftsintegration und der deutschen Wirtschaftspolitik.
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