Das US-Nachrichtenportal The Daily Beast behauptet, Auszüge aus dem vom Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki unter Verschluss gehaltenen Untersuchungsbericht zu Missbrauchsfällen in der Erzdiözese Köln zugesandt bekommen zu haben, deren Inhalt erschaudern lässt. Demnach sollen Nonnen aus einem Kloster in Speyer zwischen den 1960er und 1970er Jahren Waisenkinder an Geschäftsleute und Geistliche "vermietet" haben, die diese Kinder missbrauchten.
Zu diesen und auch anderen Vorwürfen fragte RT DE beim Erzbistum Köln nach, deren Pressereferentin Reinhild Bues wie folgt antwortete.
Kardinal Rainer Maria Woelki wollte das Gutachten zu den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche wegen "methodischer Mängel" nicht veröffentlichen. Der Kölner Jurist Björn Gercke wurde mit einem neuen Gutachten beauftragt. Welche methodischen Mängel gab es im ersten Gutachten? Wurden diese behoben?
Das bei der Kanzlei Westphal-Spilker-Wastl in Auftrag gegebene Gutachten zum Umgang mit sexueller Gewalt im Erzbistum Köln wurde von den Strafrechtsexperten Professor Jahn und Professor Streng untersucht. Sie stellten fest, dass es gravierende Mängel in der Methodik hatte. Das Gutachten der Professoren Jahn und Streng und die ausführliche Begründung finden Sie unter diesem Link veröffentlicht. Am 30.10.2020 hat das Erzbistum Köln bekannt gegeben, den Bericht der unabhängigen Untersuchung zum Umgang mit sexualisierter Gewalt bis zum 18. März 2021 fertigstellen und veröffentlichen zu lassen. Die vollständige Neufassung der Untersuchung verantwortet der Kölner Strafrechtsexperte Prof. Dr. Björn Gercke. Herr Prof. Björn Gercke hat denselben Auftrag erhalten wie die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl. Detailfragen zu beiden Gutachten finden Sie unter diesem Link beantwortet.
Sind Sie in Kontakt mit den Opfern? Welche Hilfe leistet das Erzbistum Köln diesen?
Kardinal Woelki hat sich immer wieder mit Betroffenen sexualisierter Gewalt getroffen. Im Erzbistum Köln wurden persönliche Ansprechpartner und verschiedene Angebote sowohl zur Hilfe Betroffener als auch zur Intervention und Prävention geschaffen. Einen Überblick darüber können Sie sich unter diesem Link gewinnen. Das Vorgehen für die Zahlung von Anerkennungsleistungen für Opfer sexueller Gewalt wurde zentral von der Deutschen Bischofskonferenz beschlossen. Die Vorgehensweise für die Beantragung von Anerkennungsleistungen finden Sie unter diesem Link.
Das Erzbistum Köln hat im Januar 2019 als eines der ersten deutschen Bistümer einen Betroffenenbeirat eingerichtet. Durch diesen soll garantiert werden, dass die Interessen und Perspektiven der Betroffenen selbst bei der Aufarbeitung, Prävention und Intervention in den Fokus gestellt werden.
Aufgabe des Betroffenenbeirates ist es, zur Weiterentwicklung des Umgangs mit Fragen der sexualisierten Gewalt im Erzbistum Köln einen Beitrag zu leisten sowohl hinsichtlich der Maßnahmen der Prävention wie auch im Bereich der Intervention. Der Betroffenenbeirat als Expertengremium begleitet die Arbeit des Erzbistums Köln im Themenfeld der sexualisierten Gewalt aus Sicht des Betroffenen. Er ist Impulsgeber; erarbeitet Positionen und Vorschläge im Hinblick auf geplante neue Maßnahmen und setzt sich kritisch mit den bereits geltenden Regelungen zum Umgang mit Fragen der sexualisierten Gewalt auseinander.
Welche Präventionsmaßnahmen plant man, um solche Vorfälle in Zukunft zu verhindern?
Bereits im April 2011 trat die Präventionsordnung in Kraft, die den Schutzauftrag für alle Einrichtungen und Dienste im Erzbistum Köln verbindlich formuliert und konkrete Maßnahmen beschreibt, die zum Schutz der anvertrauten Minderjährigen bzw. schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen umgesetzt werden müssen. Heute arbeiten rund 200 qualifizierte Menschen im Erzbistum Köln daran, andere in der Prävention fortzubilden. Wer im Erzbistum Köln tätig ist oder sein will, ob ehrenamtlich oder hauptberuflich, muss verbindlich an einer Präventionsschulung teilnehmen und gemäß den staatlichen wie den kirchlichen Vorgaben ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorweisen. In den vergangenen Jahren haben wir mehr als 100.000 Menschen in unserem Erzbistum geschult und Schutzkonzepte für alle unsere Einrichtungen entwickelt. Weitere Informationen zur Prävention im Erzbistum Köln finden Sie hier und hier.
Derartige Vorfälle schaden dem Ruf der Kirche. Wie ist es möglich, das Vertrauen zurückzugewinnen?
Kardinal Woelki hat sich dazu gestern auf der Sitzung des Synodalen Weges geäußert. Er sagte dazu: "Ich bin mir schmerzlich bewusst, dass dadurch, wie von uns Aufarbeitung in den vergangenen Monaten erfolgt ist, Vertrauen verloren gegangen ist. Als einer der ersten, die einen Betroffenenbeirat eingerichtet und eine unabhängige Untersuchung mit Namensnennung in Auftrag gegeben haben, haben wir und habe ich Fehler gemacht. Ich weiß das und ich weiß auch, dass wir nicht gut kommuniziert haben. Da sind wirklich Fehler passiert, für die ich letztlich die Verantwortung trage. Aber das Ziel bleibt: Wir wollen Aufklärung, wir wollen Aufarbeitung und wir wollen es vor allen Dingen für die Betroffenen tun, denn sie haben ein Recht darauf und für sie möchte ich mich einsetzen. Es tut mir wirklich leid, dass Betroffene wieder sozusagen durch das, was wir hier getan haben, neuem Leid ausgesetzt sind, aber auch alle Schwestern und Brüder, auch in den anderen Diözesen. Wir werden aufarbeiten, wir werden das erste Gutachten, das wir nicht veröffentlicht haben, zur Einsicht freigeben, erst den Betroffenen, dann auch Journalisten und allen anderen, die das möchten. Wir werden mit dem zweiten Gutachten, von dem wir uns erhoffen, dass es rechtssicher ist, weiterarbeiten, systemische, institutionelle und persönliche Verantwortlichkeiten benennen und aufdecken. Und ich stehe zu meinem Wort, dass dann Namen genannt werden. Das habe ich den Betroffenen versprochen und das wird auch so sein."
Das US-Webportal "The Daily Beast" behauptet, Auszüge aus dem vom Erzbischof von Köln unter Verschluss gehaltenen Untersuchungsbericht zu Missbrauchsfällen in der Erzdiözese Köln zugesendet bekommen zu haben. Daraus soll hervorgehen, dass in den 1960er- und 1970er-Jahren von einem Kloster in Speyer Waisenkinder an Geschäftsleute und Geistliche "vermietet" wurden. Diese hätten die Kinder dann missbraucht, zum Teil wochenlang, bevor die Kinder wieder "zurückgegeben" wurden. Das Webportal schreibt weiter, das Gutachten habe herausgefunden, dass 175 Kinder, die meisten von ihnen Jungen im Alter zwischen acht und 14 Jahren, über zwei Jahrzehnte missbraucht wurden. Können Sie diese Behauptungen bestätigen?
Der Bericht des US-Webportals ist nicht korrekt. Die beschriebenen Vorgänge beziehen sich auf Kinderheime im Bistum Speyer und sind nicht Gegenstand der Untersuchung im Erzbistum Köln. Bei Fragen zu den Vorgängen wenden Sie sich bitte an das Bistum Speyer.
Anmerkung der Redaktion: RT DE fragte beim Bistum Speyer nach. Dort ist der "Untersuchungsbericht des Erzbistums Köln nicht bekannt. Daher können wir hierzu keine Aussage treffen", so die Antwort. Zu den Beschuldigungen im Zusammenhang mit dem Kinderheim in der Engelsgasse in Speyer verweist das Bistum Speyer auf diesen Beitrag, "der unseren Wissensstand zu diesem Thema abbildet".
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