"Long COVID": Auch eine normale Grippe kann Langzeitfolgen haben

In den Medien warnt SPD-Politiker Karl Lauterbach oft vor den Langzeitfolgen einer COVID-19-Erkrankung. Einige Experten weisen jedoch darauf hin, dass diese Langzeitfolgen auch bei anderen Krankheiten auftreten – etwa bei einer normalen Grippe.

Experten warnen vor den möglichen Langzeitschäden einer COVID-19-Erkrankung, die möglicherweise auch jüngere Personen betreffen. So berichten Patienten nach einer COVID-19-Erkrankung, dass sie noch lange Zeit mit chronischer Müdigkeit, Abgeschlagenheit sowie mit neurologischen Störungen zu kämpfen haben.

Erst kürzlich warnte der in Sachen Corona omnipräsente SPD-Politiker Karl Lauterbach auf Twitter erneut davor, dass "Long COVID" hierzulande "viel zu wenig beachtet wird", dabei würden "etwa 25 Prozent der Bevölkerung Long-COVID-Risikofaktoren" in sich tragen. An den Folgen der COVID-19-Erkrankung würden noch "zehntausende in Jahren sterben", prophezeite Lauterbach.

Experten wie der Virologe Hendrik Streeck sehen dies jedoch ein wenig anders: In einem Interview mit der Welt erklärte dieser kürzlich, dass oft mit Verweis auf eine Studie im Fachjournal Lancet suggeriert werde, dass bis zu 70 Prozent der Erkrankten von den Langzeitfolgen betroffen seien. Dies sei laut Streeck auch zutreffend. Es betreffe aber die Personen, die einen Krankenhausaufenthalt hinter sich hatten und zum Teil intubiert werden mussten, und nicht jene, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden und nie im Krankenhaus waren.

Streeck sagte weiterhin, dass diese Effekte außerdem nichts Ungewöhnliches seien. Ähnliches lasse sich bei anderen Krankheiten beobachten: Nach einer schweren Lungenentzündung bräuchten Patienten beispielsweise im Schnitt sechs Monate, bis sie wieder auf die Beine kommen:

"Das gilt auch für andere Lungenentzündungen. Man wird nicht entlassen und läuft sofort wieder Marathon. Diese Beschreibung von Einzelfällen ist also verzerrend. Sie macht Angst vor dem Virus."

Auch bei der "normalen" Grippe gibt es schon länger den Verdacht, dass diese in Einzelfällen Langzeitfolgen hat, da sie neben den Zellen der Atemwege und bestimmter Immunzellen vermutlich auch Nervenzellen zerstören könnte. Gerade ältere Menschen erholen sich nur schwer und können danach noch lange Zeit desorientiert und vergesslicher sein als sonst.

Bereits im Jahr 2018 hatten Forscher der TU Braunschweig herausgefunden, dass Grippeviren noch lange Zeit nach der Infektion neurologische Schäden bei Mäusen hinterlassen können. Dazu setzten sie die Tiere verschiedenen Influenza-A-Viren wie dem H1N1-Erreger, dem H3N2-Virus oder dem Subtyp H7N7 aus. Auch 30 Tage nach der Infektion zeigten die Tiere bei Lern- und Gedächtnisaufgaben, bei der sie im Training eine mit Wasser bedeckte Plattform finden mussten, Einschränkungen. Die Nervenzellen im Gehirn wiesen ebenfalls strukturelle Veränderungen und eine verringerte Zahl an Synapsen auf. Erst nach vier Monaten waren keine Änderungen mehr messbar. Die Forscherin Kristin Michaelsen-Preusse erklärte dazu:

"Auf die Lebenserwartung eines Menschen hochgerechnet, würde der Erholungsprozess einige Jahre dauern."

Als Grund dafür käme den Forschern zufolge eine überschießende Immunreaktion als Antwort auf die Infektion infrage. Diese hätte zur Folge, dass einige Influenzaviren in einzelnen Fällen auch langfristige neurologische Schäden verursachen können – in ähnlicher Weise, wie dies bei "Long COVID" proklamiert wird. 

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