Schulschließungen rauben vielen Kindern das warme Mittagessen

Durch die Verlängerung der Schulschließungen bleiben Hunderttausende Kinder in Deutschland ohne ihre von den Schulen gestellten Mittagessen. Für Kinder aus bedürftigen Familien entfällt damit die einzige warme Mahlzeit des Tages. Eine bundesweite Lösung gibt es nicht.

Mit dem Bund-Länder-Beschluss vom 19. Januar und der Verlängerung des Lockdowns wurde auch die Schulschließungen mindestens bis Mitte Februar verlängert. Damit fällt nicht nur der Präsenzunterricht aus, sondern für viele Kinder auch ihre warmen Mittagessen. Besonders einkommensschwache Familien sind auf diese Versorgung angewiesen. Für viele Kinder war es bislang die einzige warme Mahlzeit des Tages.

Die Diakonie forderte bereits Anfang Januar einen finanziellen Ausgleich für Kinder aus einkommensschwachen Familien, wenn das kostenlose Mittagessen in der Schule ausfällt. Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, macht deutlich:

"Kinder, die in Armut leben, müssen auch dann zu Mittag essen, wenn sie im Lockdown nicht in der Schule sind und zu Hause lernen."

Von einer möglichen Essenslieferung nach Hause, die Bundesarbeitsminister Hubertus Heil im April 2020 in Aussicht gestellt hatte, sei bislang nichts zu sehen, sagt Loheide: "Die Regelung geht völlig an der Realität vorbei. Kein Schulcaterer beliefert Kinder einzeln zu Hause."

Das Beispiel Berlin

Das wird etwa durch das Beispiel Berlin belegt. In Berlin müssen nach Angaben des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) etwa 177.000 Grundschüler auf ihr kostenloses Mittagessen verzichten, das ihnen laut dem Schulgesetz zusteht. Der Geschäftsführer des Berliner Schulcaterers Luna, Rolf Hoppe, argumentiert, sein Unternehmen sei für den Lieferbetrieb nach Hause nicht ausgelegt. Bei den aktuellen Kapazitäten würde eine Hauslieferung zwischen 15 und 20 Euro kosten. Vom Land Berlin würden pro Schulessen jedoch nur vier Euro bezahlt. Hoppe schlägt daher vor, das Essen an den Schulen zentral auszugeben, zum Beispiel auf dem Schulhof unter Beachtung der Hygiene- und Abstandsregeln.

Unter den Bedingungen des harten Lockdowns findet in den Schulen lediglich eine Notbetreuung statt. Dennoch laufen die Verträge mit den Cateringunternehmen unverändert weiter. Die Anbieter dürfen täglich pro belieferter Schule mindestens 50 Essen in Rechnung stellen, unabhängig davon, wie viele gebraucht werden.

Was die Kinder im Heimunterricht essen, darüber habe man keine Erkenntnisse, erklärte ein Sprecher des Schulamtes in Berlin-Neukölln auf Anfrage des RBB:

"Auch wenn wir es wüssten, wäre eine Versorgung außerhalb der Notbetreuung schwierig."

"Essen auf Rädern" für bedürftige Kinder

In anderen Städten werden bedürftige Kinder teilweise mit Essenslieferungen versorgt. Die Stadt Bielefeld (NRW) bietet bedürftigen Familien schon seit Ende November eine Lebensmittellieferung an, falls die Möglichkeit der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in der Schule oder Kita wegen Corona wegfällt. Angeboten werden zum Beispiel Nudeln, Reis, Gemüse, Obst, Milch und Eier. Es besteht außerdem die Möglichkeit, vorgefertigte Pakete inklusive Rezepten zu erhalten.

In Leipzig wird ein Konzept für "Essen auf Rädern" verfolgt. Vorerst bis zum 31. März befristet können bedürftige Familien das Mittagessen für ihre Kinder an den Schulen abholen oder es wird direkt nachhause geliefert – abhängig vom Stadtteil. Nach Aussagen von Stadtsprecher Matthias Hasberg wurde dieses Konzept schon während des ersten Lockdowns 2020 getestet. Dafür habe die Stadtverwaltung mehrere Cateringunternehmen gewinnen können.

Dazu gehört zum Beispiel das Leipziger Kinder-Restaurant, das vor dem Lockdown Kochfeste oder Kochkurse mit Kindern veranstaltete. Leiterin Karin Fahnert erklärte dem MDR die Bedingungen, damit Familien eine Bestellvereinbarung abschließen können.

"Wir brauchen den Gutschein oder einen Bescheid, auf dem wir sehen, dass der Gutschein beantragt werden kann, auch dabei unterstützen wir."

Hartz-IV-Empfänger bekämen die Gutscheine über das Jobcenter, so Fahnert. Wer Wohngeld, Asylbewerberleistungen oder den Kinderzuschlag bekommt, müsse sich ans Sozialamt wenden.

Nach Angaben des Stadtsprechers Hasberg ist die Nachfrage nach dem "Essen auf Rädern" für bedürftige Kinder allerdings überschaubar. Die Gründe dafür seien schwer zu ermitteln – man könne das positiv sehen, dass es vielleicht nicht so viele Bedürftige seien. Aber:

"Man kann es aber auch ein bisschen negativ sehen und sagen, vielleicht sind die Hürden doch zu groß."

Essensgeld oder Essensgutscheine?

Der sozialpolitische Sprecher der FDP-Fraktion Pascal Kober forderte bereits Anfang Januar, Kinder bedürftiger Familien mit einer Zahlung von Essensgeld zu unterstützen. "Benachteiligte Kinder dürfen in der Pandemie durch Schulschließungen nicht unter das Existenzminimum fallen." Es müsse dafür gesorgt werden, dass der Betrag für das Schulessen bei Kindern in der Grundsicherung ankomme.

Aus der CDU-Fraktion Berlin kommen andere Vorschläge. Der Abgeordnete Dirk Stettner empfiehlt, das Schulessen im Heimunterricht mit der Wirtschaftshilfe für die im Lockdown leidende Gastronomie zu verknüpfen. Statt die Mahlzeiten einzeln zu Schülern nach Hause zu liefern, fordert er die Ausgabe von Essensgutscheinen an bedürftige Familien. Damit könnten diese sich "bei lokalen Gastronomen versorgen". Die Kosten würden nicht viel höher liegen als bei den bisher üblichen Preisen für Schulessen. Stettner argumentiert:

"Es gibt Inder oder Italiener, die eine Mahlzeit schon für fünf Euro anbieten können."

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