Immer weniger Kinder können sicher schwimmen. Nach Angaben der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) sei die Entwicklung seit Jahren dramatisch. Demnach seien es 2010 beispielsweise 50 Prozent und 2017 schon 59 Prozent der Kinder gewesen, die nicht richtig schwimmen können, wenn sie die Grundschule verlassen. Als sichere Schwimmer hat die DLRG Jungen und Mädchen gerechnet, die entweder das Abzeichen Bronze, Silber oder Gold besitzen. Dies geht aus einer Studie der Organisation aus dem Jahr 2017 hervor.
Einer der Gründe dafür sei das bundesweite Bädersterben. Seit 2000 würden laut der DLRG pro Jahr etwa 80 Schwimmbäder in Deutschland schließen, weil das Geld für die Sanierung fehle. Demnach hätten bereits vor der COVID-19-Pandemie rund 25 Prozent der Grundschulen überhaupt keinen Zugang mehr zu einem Schwimmbad gehabt, um Schwimmunterricht anzubieten.
Durch den Corona-Lockdown fällt nun vielerorts der Unterricht aus, zudem finden die privaten Kurse, für die es ohnehin lange Wartelisten gibt, derzeit nicht statt. Die DLRG rechnet deshalb damit, dass sich die Lage bezüglich der Schwimmfähigkeit der Kinder weiter verschlechtert. Achim Wiese, Sprecher der Organisation, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa:
"Wir werden zumindest einen kompletten Jahrgang nicht ausgebildet haben können. Die Entwicklung wird dadurch noch dramatischer."
Der Präsident des Deutschen Schwimm-Verbandes, Marco Troll, spricht von einer Art "Stau".
Auch die frühere Weltklasse-Schwimmerin Franziska van Almsick befürchtet eine Verschlechterung der Situation. So sagte die heute 42-Jährige gegenüber der dpa:
"Es ist natürlich eine mittelschwere Katastrophe, dass die Schwimmbäder geschlossen sind. Ich befürchte, dass eine ganze Generation von Kindern entweder extrem schlecht oder gar nicht sicher schwimmen kann."
Seit Beginn des zweiten Teil-Lockdowns Anfang November und verstärkt während der aktuell noch verschärften Maßnahmen gegen die Pandemie können Kinder viele Sportarten nicht ausüben. Aus van Almsicks Sicht ist das jedoch nicht mit dem Schwimmenlernen vergleichbar. Die Mütter zweier Söhne ergänzte:
"Es ist nicht wie Klavierspielen oder Fußballspielen, woran man einfach nur Spaß hat. Wenn man nicht schwimmen kann, kann das dazu führen, dass man ertrinkt. Das ist ein Risiko, das man in seinem Leben ausschließen kann und auch sollte."
Van Almsick, die das Schwimmenlernen bei Jungen und Mädchen mit einer Stiftung fördert, weiß, dass die Lösung des Problems in der aktuellen Lage schwierig ist. Es gab Überlegungen, ob man Schwimmenlernen irgendwie digital fördern könne. "Am Ende kam aber die Einsicht, dass man sicherlich den einen oder anderen hilfreichen Tipp digital geben kann, aber letztendlich muss man einfach ins Wasser."
Die Weltmeisterin von 1994 über 200 Meter Freistil und viermalige Olympia-Silbermedaillengewinnerin sieht dennoch eine Möglichkeit, die Krise zu nutzen. So sagte Almsick der dpa: "Man kann die aktuelle Situation auch als Chance nehmen, um zu sagen: Jetzt wollen wir wirklich etwas verändern. Die Regierung hat im Moment andere Sorgen und andere Probleme. Aber wenn ein bisschen Ruhe eingekehrt ist, muss man eigentlich direkt kommen und sagen: Durch Corona ist dieses Problem aufgetreten und jetzt müssen wir etwas ändern für die Zukunft."
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