Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, hat in seinem Interview mit der Springerzeitung Die Welt die geistige Verfasstheit von Ostdeutschen für die schwierige Corona-Lage in Teilen Ostdeutschlands verantwortlich gemacht.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete erklärt die vor allem in Sachsen steigenden Zahlen der Corona-Befunde mit Berufspendlern und Einkaufstouristen aus Tschechien, die "auf eine zum Teil sorglose Bevölkerung" getroffen seien.
Neben Sorglosigkeit beklagt Wanderwitz auch die "Renitenz" eines anderen Teils der Bevölkerung als Ursache der Ausbreitung:
"Wenn in sächsischen Städten im AfD-Milieu Menschenketten und Demonstrationen ohne Maske und Abstand veranstaltet werden, sind das Superspreader-Events. Die AfD hat mehrfach dazu aufgerufen, die Hygieneregeln zu missachten. Und dieser Aufruf wird von einer nicht kleinen Minderheit auch befolgt. Wenn ich in Supermärkten unterwegs bin, treffe ich auf eine erschreckend hohe Zahl von Menschen, die so tun, als gäbe es keine Pandemie."
Die Ignoranz dieser Menschen beschreibt der Ostbeauftragte mit den Worten:
"Die Kernklientel der AfD besteht aus Männern im Alter zwischen 45 und 65 Jahren. In Gesprächen sagen die teilweise ganz offen, dass sie ihre wirtschaftliche Existenz oder ihre Bewegungsräume nicht für das Überleben von über 80-Jährigen aufs Spiel setzen wollen. Die würden ja eh bald sterben, heißt es dann. Schlimm."
Der Frage des Blattes, ob es sich dabei um eine neue Variante des Sozialdarwinismus handele, "so nach dem Motto: Ist das Virus zu stark, bist du zu schwach", stimmt der gebürtige Sachse ausdrücklich zu:
"Ja, das kann man definitiv so sehen."
Dabei machte Wanderwitz ausdrücklich die DDR-Vergangenheit als weitere Ursache für den angeblich mangelnden Respekt gegenüber der Menschenwürde im Osten Deutschlands aus:
"Auch der Kollektivismus der DDR spielt da eine Rolle. Das Individuum und der Schutz der einzelnen Person spielen in solchen Weltbildern keine große Rolle. In unserem Grundgesetz aber steht die Unantastbarkeit der Würde des Menschen an erster Stelle. Insofern steckt in diesem Konflikt auch ein Streit über unser Wertesystem."
In den sozialen Netzwerken stießen Wanderwitz' Thesen auf erheblichen Widerspruch. Twitter-Nutzer betonten, dass im Osten die individuelle Freiheit mehr geschätzt werde als anderswo. Manche Kommentatoren zogen Parallelen zwischen den Corona-Maßnahmen und den Verhältnissen in der DDR. Auch Zweifel an der fachlichen Eignung des Politikers wurden wiederholt geäußert. Ein weiterer Nutzer fragte:
"Wie heißt eigentlich der Westbeauftragte?"
Doch Wanderwitz erhielt auch Zustimmung. So schrieb ein Nutzer:
"Der Wanderwitz ist nicht nur ein guter Ostbeauftragter, sondern vertritt auch klare Inhalte. Genau das braucht es – Personen, die in schwierigen Fragen eindeutige Positionen vertreten und Antworten liefern. Sehr lesenswertes Interview."
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