Der Untersuchungsausschuss zum Bilanzskandal bei Wirecard befragte am Donnerstag den früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg.
Von zentralem Interesse war eine Chinareise der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), bei der sie sich vor Auffliegen des Skandals persönlich für das deutsche Fintech-Unternehmen Wirecard eingesetzt hatte.
Denn schon zum Zeitpunkt der Reise nach Peking existierten kritische Berichte über Wirecard, insbesondere in der Financial Times. Schon 2016 hatten auch Börsenspezialisten vor Wirecard gewarnt.
Zu Guttenberg hatte persönlich bei der Bundeskanzlerin vorgesprochen und sie überzeugt, ein gutes Wort für Wirecard einzulegen, um dem Unternehmen den Eintritt in den chinesischen Markt zu erleichtern. Das tat Angela Merkel im September 2019 in Peking dann auch. Denn Wirecard hatte damals die Absicht, sich durch die Übernahme eines chinesischen Unternehmens Zugang zum chinesischen Markt zu verschaffen.
Dann meldete Wirecard am 25. Juni 2020 Insolvenz an. Luftbuchungen von fast zwei Milliarden Euro wurden aufgedeckt; Scheingewinne, die eigentlich auf Treuhandkonten in Manila liegen sollten. Als Fintech-Spezialist für bargeldlose Zahlungen damals in die Dax-Liga aufgeschossen, hatte Wirecard jahrelang eigentlich nur Verluste gemacht. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt wegen bandenmäßigen Betrugs.
Unter anderem die Wirtschaftsprüfer von EY, KPMG und die Finanzaufsicht Bafin stehen in der Kritik, weil der Betrug nicht früher aufflog.
Für den Untersuchungsausschuss stellt sich die Frage, ob das Bundeskanzleramt von alldem wusste und wenn ja, wie viel.
Der Ex-Bundesminister als Lobbyist – ein Pechvogel?
Zu Guttenberg lehnte als Fürsprecher von Wirecard die Bezeichnung "Lobbyist" für die Tätigkeit seines Unternehmens, der Beratungs- und Beteiligungsfirma Spitzberg Partners, vor dem Ausschuss vehement ab.
Es ist nicht lange her, dass der Name des ehemaligen Bundesministers im Zusammenhang mit der umstrittenen KI-Firma Augustus Intelligence genannt wurde. Mit Lobby-Vorwürfen für diese Firma wurde zwar vordergründig der CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor konfrontiert, doch auch zu Guttenberg ging für Augustus Intelligence zum Kanzleramt.
Fabio De Masi, für die Linke im Untersuchungsausschuss, sagte im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk zur Rolle zu Guttenbergs:
"Herr Guttenberg ist der Lothar Matthäus der deutschen Politik, der in jedes Fettnäpfchen tritt."
Florian Toncar, FDP-Mann im Untersuchungsausschuss, sagt zur Chinareise der Kanzlerin:
"Man muss ja wissen, Wirecard war zu dem Zeitpunkt schon enorm unter Druck. Es gab viele, die an Wirecard gezweifelt haben. Also, Wirecard brauchte dringend Erfolgsmeldungen."
Zu Guttenbergs Rolle sagte Toncar, er bekomme dafür Geld, dass er solche Kontakte herstellte. Tatsächlich wurde vor dem Untersuchungsausschuss bekannt, dass zu Guttenberg für seine Dienste 750.000 Euro erhalten hat, die auch unverzögert von Wirecard beglichen wurden.
Guttenberg vor dem Untersuchungsausschuss
Laut dpa hat zu Guttenberg im Untersuchungsausschuss die Bundesregierung im Skandal um den Bilanzbetrug bei Wirecard in Schutz genommen. Nach damaligem Kenntnisstand sei die Unterstützung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für das deutsche Fintech-Unternehmen richtig gewesen, sagte zu Guttenberg.
Im Ausschuss wies zu Guttenberg auch entschieden alle Vorwürfe zurück, er habe den mutmaßlichen Milliardenbetrug erahnen können.
"Einen derartigen Betrug konnte man als Geschäftspartner – trotz gewisser Mutmaßungen in der britischen Financial Times – nicht erahnen (...) Hätten wir gewusst, dass das Geschäftsmodell von Wirecard offenbar auf Betrug basiert, hätten wir dieses Dax-Unternehmen niemals beraten (...) Wir wurden arglistig getäuscht", so zu Guttenberg.
Weder seine Firma noch er selbst hätten zu irgendeinem Zeitpunkt von Diskrepanzen in der Bilanzierung von Geldwäsche oder anderen Straftaten gewusst, versicherte zu Guttenberg. Stattdessen habe man sich auf die offiziellen Bewertungen des Unternehmens und die staatlichen Prüfstellen verlassen.
Auch Finanzstaatssekretär Wolfgang Schmidt soll zu seinem Einsatz für Wirecard befragt werden ebenso wie der ehemalige Hamburger Bürgermeister Ole von Beust.
Mehrere Manager, darunter der frühere Vorstandsvorsitzende Markus Braun, kamen in Untersuchungshaft.
Nach seinem abgetauchten Vorstandskollegen Jan Marsalek fahndet Interpol inzwischen weltweit.
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