Showdown für Scheuer – Verkehrsminister sagt vor Maut-Untersuchungsausschuss aus

Die Aufarbeitung des Debakels um die gescheiterte Pkw-Maut geht an diesem Donnerstag in die entscheidende Phase. Im Untersuchungsausschuss des Bundestages treten auf: drei Manager, ein Ex-Staatssekretär und erstmals auch Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).

Eigentlich sollte es der Tag des Triumphes für Andreas Scheuer und seine CSU werden: der 1. Oktober 2020, offizieller Start für die Pkw-Maut, durchgeboxt gegen alle Widerstände. Doch es kam alles anders. Und so muss sich der Verkehrsminister an diesem Donnerstag auf einer anderen Bühne stellen – im Untersuchungsausschuss des Bundestags, der das Vorgehen rund um die geplatzte Maut-Einführung beleuchten soll. Die Opposition fährt schwere Geschütze gegen den Zeugen Scheuer auf. Im Fokus stehen die umstrittenen Verträge mit den gekündigten Maut-Betreibern – und die Frage: Hat Scheuer das Parlament belogen?

Der Tag wird auf jeden Fall lang – und er könnte einen ersten Showdown bringen. Bevor der Minister womöglich erst am Abend an die Reihe kommt, tritt eine Riege von Managern an, die eigentlich mit der Bundesrepublik ins Geschäft kommen sollten: Zuerst Volker Schneble, Geschäftsführer der für die Maut gegründeten Gemeinschaftsfirma autoTicket. Als nächstes dann für deren Gesellschafter Klaus-Peter Schulenberg, Chef von CTS Eventim, und Georg Kapsch, Chef der Kapsch TrafficCom AG. Beide Firmen hatten Ende 2018 den Zuschlag für Erhebung und Kontrolle der Maut erhalten.

Das zielt auf einen zentralen Vorwurf der Opposition – nämlich dass die weitreichenden Verträge geschlossen wurden, ehe Rechtssicherheit bestand. Denn die Maut lag da schon beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), der sie im Juni 2019 als rechtswidrig stoppte – wie Kritiker es immer wieder vorhergesagt hatten. Scheuer will auf das Vorgehen aber weiter nichts kommen lassen: "Ich werde klarstellen, dass es ein regelkonformes Verfahren war, das juristisch beim EuGH gescheitert ist", hatte er der dpa vor Kurzem gesagt. Und überhaupt sei er "konzentriert und gut vorbereitet".

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss versucht seit Ende 2019 zu klären, ob es bei der Vergabe der Maut und bei der Kündigung der Verträge Versäumnisse gab. Dabei steht das Urteil der Opposition eigentlich schon fest: Sie fordert Scheuers Rücktritt oder Entlassung und hält ihm schwere Verstöße gegen Haushalts- und Vergaberecht zulasten der Steuerzahler vor. Die bisher aufgelaufenen Kosten betragen 79,3 Millionen Euro. Scheuer weist Vorwürfe vehement zurück. Vor ihm soll im Ausschuss auch sein Ex-Staatssekretär Gerhard Schulz befragt werden, der mit der Maut befasst war – inzwischen ist er Chef der Toll Collect GmbH. Ein Überblick:

Das Maut-Erbe und seine Folgen

Die Pkw-Maut war ein Prestigeobjekt der CSU in der vorigen großen Koalition. Über die politischen Hürden brachte es CSU-Minister Alexander Dobrindt, sein Nachfolger Scheuer erbte die praktische Umsetzung. Doch heikler Punkt des Mautmodells war, dass inländische Autobesitzer im Gegenzug für ihre Mautzahlungen durch eine geringere Kfz-Steuer komplett entlastet werden sollten. Das ließ der EuGH aber nicht durchgehen, weil es Autofahrer aus dem Ausland benachteilige.

Kurz nach dem "Totalschaden" vor Gericht kündigte Scheuer die Verträge mit Kapsch und CTS Eventim, die für die Maut die Gemeinschaftsfirma autoTicket gegründet hatten. Der Bund nannte neben dem Urteil als Grund auch Mängel in der Leistung der Auftragnehmer – das ist bis heute umstritten. Die Betreiber fordern inzwischen 560 Millionen Euro vom Bund, der das strikt zurückweist. Ein Schiedsverfahren läuft.

Die "Geheimtreffen"

Im Mittelpunkt der Ausschuss-Sitzung dürften drei "Geheimtreffen" Scheuers mit Managern der Betreiberfirmen stehen: im Oktober und November 2018 sowie nach der Kündigung der Verträge im Juni 2019. Am 3. Oktober 2018 ging es etwa um eine Einbeziehung des bundeseigenen Lkw-Mautbetreibers Toll Collect in die Erhebung der Pkw-Maut. Die Opposition wirft Scheuer vor, er habe Kosten und Risiken bei Toll Collect verstecken wollen.

Bei einem Treffen am 29. November 2018 sollen die Betreiber Scheuer angeboten haben, mit einer Vertragsunterzeichnung bis zu einer EuGH-Entscheidung zu warten. Dies habe Scheuer abgelehnt, da die Maut noch 2020 eingeführt werden solle, weshalb die Zeit dränge – so geht es aus einem internen Gedächtnisprotokoll des Geschäftsführers von autoTicket hervor. In Kreisen des Verkehrsministeriums wird die Glaubwürdigkeit bezweifelt – denn das Protokoll sei erst im September 2020 erstellt worden und der Verfasser sei beim Gespräch gar nicht dabei gewesen.

Spannend wird nun sein, ob die Chefs der Betreiberfirmen das Angebot im Ausschuss bestätigen. Die Opposition erinnerte vorab noch einmal an Äußerungen Scheuers im Bundestag am 25. September 2019. Auf Fragen von Abgeordneten sagte er, ein solches Angebot sei "nicht Thema" gewesen.

Scheuers Rückhalt

Die SPD hat sich bisher mit Angriffen auf Scheuer zurückgehalten. Intern ist aber von einer "roten Linie" die Rede. Die würde dann überschritten sein, wenn Scheuer nachweislich das Parlament belogen hätte. In diesem Falle hätte Scheuer ein Glaubwürdigkeitsproblem, sagte der Ausschussvorsitzende Udo Schiefner (SPD) der Rheinischen Post.

Das würde sein Amt belasten, und das kann zu einem Glaubwürdigkeitsproblem der Regierung werden, so Schiefner.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bescheinigte ihrem Minister Ende 2019, "dass Andy Scheuer eine sehr gute Arbeit macht". Vorwürfe würden alle "sauber abgearbeitet im Untersuchungsausschuss". Entscheidend für seinen Rückhalt ist allerdings die Sicht der CSU-Spitze.

In der CSU wird Scheuers politische Zukunft unterschiedlich gesehen. Quer durch die Partei gibt es Kritik am Auftreten in Sachen Maut – gerade auch mit Blick auf die Bundestagswahl 2021. Entscheidend für seinen Verbleib sei – so heißt es in der CSU – der Nachweis, dass alles rechtmäßig abgelaufen sei. Sollte sich herausstellen, dass Scheuer den Bundestag angelogen hat, wäre er nicht mehr zu halten. CSU-Chef Markus Söder hatte aber immer vor voreiligen Verurteilungen gewarnt und betont, es müsse zunächst der Untersuchungsausschuss abgewartet werden.

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(dpa/rt)