Schulleiter in NRW: Umsetzung der Corona-Regeln in der Praxis nicht realisierbar

Die Schulleiter aller Schulformen in NRW haben sich in einem "Brandbrief" an den Ministerpräsidenten Armin Laschet gewandt. Demnach seien die Vorgaben des Bundeslandes im Rahmen einer Pandemiebekämpfung im realen Schulbetrieb oft nicht umsetzbar.

Der eingetragene Verein "Schulleitungsvereinigung Nordrhein-Westfalen e.V." (SLV NRW) hat sich in einem offenen Brief an den Ministerpräsidenten Armin Laschet gewandt. Demnach seien die vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie vom NRW-Ministerium für Schule und Bildung (MSB) erlassenen Vorgaben "aufgrund der örtlichen Gegebenheiten und der schulischen Rahmenbedingungen kaum erfüllbar". Nach Auffassung des SLV NRW entledige sich die oberste Schulbehörde der eigenen Verantwortung und gebe diese an "Gesundheitsämter, Schulträger und Schulleitungen" weiter.

Insbesondere die verantwortliche Ministerin Yvonne Gebauer steht in der Kritik des Vereins. Diese würde die "vielerorts nicht gegebenen baulichen Voraussetzungen" schlicht ignorieren. Damit beziehen sich die Schulleiter auf die Kernforderungen zum Infektionsschutz, nämlich a) das regelmäßige Lüften, b) das Abstandhalten auf den Fluren sowie draußen und c) die Maskenpflicht auch im Unterricht (außer für die Jahrgänge 1 bis 4, wenn die Kinder "fest an ihrem Platz sitzen"). So seien beispielsweise die Fenster in vielen Räumen zugeschweißt, womit eine Unterrichtsnutzung eigentlich nicht infrage komme, wie Spiegel Online zu berichten weiß.

Zudem kritisieren die Schulleiter die zuvor "öffentlichkeitswirksam präsentierte" Handreichung des MSB zum "Lernen auf Distanz". Diese suggeriere der Elternschaft ein Umsetzungsversprechen, das so vor Ort eben nicht haltbar sei. Bei Einhaltung der Forderungen des Ministeriums könne derzeit gar "kein normaler Unterricht" stattfinden. In dem Schreiben heißt es hierzu:

Kurssysteme, Religionsgruppen, Fördergruppen, sonderpädagogische Förderung, Deutschunterricht für Schüler*innen aus anderen Herkunftsländern finden in unterschiedlichen Lerngruppen statt und müssen daher ausfallen, wenn Schulen die Forderungen des MSB ernst nehmen.

Auch sei der vom Ministerium geforderte "ausschließliche Einsatz von Lehrkräften in festen Lerngruppen" unter diesen Umständen "nicht realisierbar." Denn "Fachunterricht, Teilzeitkräfte und viele andere Begebenheiten müssen bei der Stundenplangestaltung berücksichtigt werden". Insbesondere Vertretungsunterricht – wie beispielsweise bei Schwangerschaften – erfordere ein "hohes Maß an Flexibilität an Schulen".

Vor allem in den strukturschwachen Regionen oder in Brennpunktschulen herrsche zum Teil ein immenser Lehrermangel, so dass Stundentafeln schon in der Vor-Coronazeit nicht abgedeckt werden konnten. Die Ankündigung, mehr (Vertretungs-)Lehrkräfte einzustellen, halte man für fragwürdig. In den Schulen arbeiteten schon jetzt viele Menschen als Lehrer, "die keine abgeschlossene Lehrerausbildung haben und als  Seiteneinsteiger gelten".

Auch von fehlenden Hausmeistern oder nicht vorhandenen Reinigungsdiensten für die Ferien sowie für Zwischenreinigungen ist die Rede. Die Arbeitsbedingungen vor Ort schienen dem MSB "nicht bekannt zu sein oder werden ignoriert". Der SLV NRW sehe daher in dem Vorgehen des Ministeriums eine Art "Feldversuch" und vermute dahinter "die Intention, sich allein durch die Formulierung geeigneter Vorgaben aus der Verantwortung zu ziehen". Der Brief schließt ab mit dem Satz:

Ein wirkliches Interesse des MSB an der Realität vor Ort in den Schulen ist für uns nicht feststellbar.

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