"Wegen Überlastung der Gesundheitsämter" - Tausende Kinder ohne Eignungsuntersuchung eingeschult

Die meisten Erstklässler sind in diesem Schuljahr ohne ihre eigentlich obligatorische Schuleingangsuntersuchung in die Schule gekommen. Grund ist die Auslastung der Gesundheitsämter in der Corona-Pandemie. Nur in wenigen Bundesländern dürfen Eltern mitbestimmen.

Wegen einer Überlastung der Gesundheitsämter in der Corona-Pandemie sind nach Angaben des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst (BVÖGD) die meisten Erstklässler in diesem Schuljahr ohne die eigentlich obligatorischen Schuleingangsuntersuchungen eingeschult worden. "Die meisten haben es nicht geschafft, die Schuleingangsuntersuchungen durchzuführen", sagte Ute Teichert, Vorsitzende des BVÖGD, den Sendern RTL und n-tv in einem Interview.

Zehntausend Kinder bundesweit betroffen

Nur in wenigen Bundesländern sei versucht worden, die Untersuchungen nachzuholen, als die Corona-Regeln gelockert wurden. Es seien mehrere Zehntausend der Schulanfänger bundesweit betroffen.

In den Schuleingangsuntersuchungen beurteilen Ärztinnen und Ärzte der Gesundheitsämter, ob ein Kind die körperlichen, geistigen und sozialen Voraussetzungen erfüllt, um den Anforderungen im Schulalltag gewachsen zu sein. Erkennen die Ärzte einen Förderbedarf, melden sie das im Regelfall den Schulen. Lehrerinnen und Lehrer müssten nun sehen, wie sie im Unterricht mit eventuellen Defiziten solcher Erstklässler umgehen, sagte Teichert.

Gesundheitsämter mit Reiserückkehrern ausgelastet

Die Gesundheitsämter würden die ausgefallenen Untersuchungen kaum aufholen können, zumal sie derzeit mit den Reiserückkehrern beschäftigt seien. Erst, wenn die Schulen den Amts- und oder Schulärzten Auffälligkeiten meldeten, würden die Gesundheitsämter wieder eingeschaltet.

Nur in wenigen Bundesländern können Eltern selbst entscheiden, ob ihr Kind erst später eingeschult werden sollte. In Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen können Eltern jedoch bei Kindern, die zwischen dem 1.Juli und 30. September sechs Jahre alt werden, einen sogenannten Antrag auf Zurückstellung stellen. Das Kind wird dann erst im nächsten Jahr eingeschult. Eltern können dort auch einen Antrag stellen, wenn sie glauben, dass ihr Kind aus geistigen oder körperlichen Gründen noch nicht am Schulunterricht teilnehmen sollte. Diese Frist war aber in Bayern und Niedersachsen bereits am 1. Mai abgelaufen. Nur in Baden-Württemberg ist ein solcher Antrag noch möglich.

Es ist zu erwarten, dass (einige) Kinder im Schulbetrieb überfordert sein werden", warnte Kinderpsychologin Sabine Werner-Kopsch gegenüber RTL.

Kinder werden in diesem Jahr ohne die üblichen Vorbereitungen vom Kindergarten in die Schule wechseln müssen. Viele Projekte zwischen Kindergärten und Grundschulen, die den Übergang in die Grundschule erleichtern sollen, mussten wegen Corona abgesagt werden. 

Kinder konnten sich nicht verabschieden

Auch Eva-Maria Osterhues-Bruns, Vorsitzende des Grundschulverbandes Niedersachsen, sieht ein Problem dabei, dass sich die künftigen Grundschüler nicht in gewohnter Weise von ihren Kindergärten verabschieden konnten. "Für die Kindergartenkinder ist der Übergang etwas Besonderes", sagte Osterhues-Bruns. "Normalerweise besuchen Vorschulkinder die Schulen, es gibt bestimmte Rituale wie eine Übernachtung oder ein Schultütenfest." Auch für die Lehrkräfte sei es von Vorteil, die künftigen Schulkinder vorab kennenzulernen. "In den letzten Jahren hat sich das breit etabliert", so Osterhues-Bruns.

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