Die Pkw-Maut war ein Prestigeobjekt der CSU und ein Wahlkampfschlager – scheiterte dann aber krachend vor Gericht. Der frühere Parteivorsitzende und jetzige Innenminister Horst Seehofer allerdings wies am Donnerstag den Vorwurf einer Mitverantwortung am Maut-Debakel zurück. Der 70-Jährige machte als Zeuge im Untersuchungsausschuss des Bundestags deutlich, für ihn sei wichtig gewesen, dass die Maut politisch realisiert werde – und nicht die administrative Umsetzung.
Seehofer wies auch Vorwürfe des Ex-Verkehrsministers Ramsauer zurück
Die aber ist Kern des Untersuchungsauftrags des Ausschusses, die Opposition wirft Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) schwere Fehler zulasten der Steuerzahler vor. Die Umsetzung sei Sache der jeweiligen Verkehrsminister gewesen, sagte Seehofer. Vorwürfe gegen Scheuer aber erhob er nicht. Vor seinem Auftritt im Untersuchungsausschuss antwortete Seehofer auf die Frage, ob er bei der Maut alles richtig gemacht habe: "Absolut."
Als Zeuge im Ausschuss konterte Seehofer Vorwürfe seines Parteifreundes, des früheren Verkehrsministers Peter Ramsauer. Dieser hatte Mitte Februar als Zeuge im Untersuchungsausschuss die Verantwortung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Seehofer bei der Maut betont. Sie hätten "sehenden Auges" eine "europarechtliche Unmöglichkeit" bei der Pkw-Maut in den Koalitionsvertrag von 2013 hineinverhandelt.
Ramsauer hatte gesagt, er habe vor der Formulierung gewarnt, dass kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet werden solle. Dies sei europarechtlich schwierig. Er habe vorgeschlagen, dass "insgesamt" inländische Fahrzeughalter nicht belastet werden sollten. Dabei hätte es im Zusammenhang mit einer parallel geplanten Senkung der Kfz-Steuer Gewinner und Verlierer geben können.
Die Pkw-Maut – ein wichtiges Thema im Wahlkampf
Seehofer sagte, Ramsauer habe bei den Koalitionsverhandlungen 2013 Zweifel angemeldet – das Motiv dafür aber sei für ihn bis heute unklar. Schließlich habe Ramsauer als Parteivize dem "Bayernplan" zugestimmt. In diesem damaligen Wahlkampfprogramm hatte die CSU sich dafür ausgesprochen, eine Pkw-Maut einzuführen. Sie sollte für Reisende aus dem Ausland auf deutschen Autobahnen gelten, die Mittel sollten zweckgebunden für den Straßenbau verwendet werden.
Dass Parteifreunde Zweifel anmelden, sei doch völlig normal, sagte Seehofer. Für ihn und auch Merkel sei entscheidend gewesen, dass durch die Maut keine deutschen Fahrzeughalter zusätzlich belastet würden und das Projekt europarechtskonform sei. Außerdem sei die Pkw-Maut ein wichtiges Thema im Wahlkampf gewesen.
Seehofer sagte, er habe damals gesagt:
Ich unterschreibe keinen Koalitionsvertrag ohne die Maut.
Und er habe ein Wahlversprechen abgegeben, dass keine deutschen Fahrzeughalter zusätzlich belastet werden sollten. "Ich war überzeugt, dass es geht." Er habe nicht kurz nach der Wahl vor die Öffentlichkeit treten und sagen können, es müsse nun doch Verlierer bei der Maut geben. Schließlich habe die CSU bei der Landtagswahl in Bayern 2013 die absolute Mehrheit geholt.
In seiner langen politischen Karriere habe er zudem oft erlebt, dass vieles, was mit der EU-Kommission umstritten gewesen sei, oft in Verhandlungen übereinstimmend gelöst worden sei, sagte Seehofer. Er verwies darauf, dass der damalige Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) Ende 2016 für ein leicht geändertes Maut-Modell grünes Licht der EU-Kommission erhalten hatte.
Er habe "zu keiner Minute" daran gezweifelt, dass dies Bestand vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) habe, sagte Seehofer. Außerdem hätten Bundestag und Bundesrat der Pkw-Maut zugestimmt. Es sei dann Aufgabe des Verkehrsministers Dobrindt sowie später von Andreas Scheuer (CSU) gewesen, dies umzusetzen.
Oppositionspolitiker warfen Seehofer vor, er habe sich in Widersprüche verstrickt. Der Grünen-Politiker Stephan Kühn sagte, Seehofer habe bei den Koalitionsverhandlungen 2013 ganz klar gewusst, wie europarechtlich riskant es sei, die "Ausländermaut" ohne irgendeine Belastung für Inländer einzuführen. Der FDP-Politiker Christian Jung sagte, dass Seehofer angegeben habe, nicht stets gut über den Sachstand der Pkw-Maut informiert gewesen zu sein, sei nicht nachvollziehbar.
Bei der Pkw-Maut steht vor allem Scheuer in der Kritik. Im Zentrum des Untersuchungsausschusses steht die Frage, ob er bei der Pkw-Maut Europa-, Vergabe- und Haushaltsrecht gebrochen hat. Das Verkehrsministerium unter Scheuer schloss 2018 Verträge zur Erhebung und Kontrolle der Maut – bevor endgültige Rechtssicherheit bestand. Nach dem Scheitern des Projekts verlangen der Ticketvermarkter Eventim und der österreichische Maut-Kontrolleur Kapsch von Deutschland mehr als 560 Millionen Euro Schadenersatz für entgangene Gewinne. Die Opposition wirft Scheuer daher schwere Fehler zulasten der Steuerzahler vor. Der Europäische Gerichtshof erklärte die Pkw-Maut im vergangenen Sommer für europarechtswidrig.
Man lebe in einem Rechtsstaat, sagte Seehofer mit Blick auf das EuGH-Urteil. Er würde, wenn er aktueller Parteichef wäre, erneut Pläne für eine Pkw-Maut verfolgen – aber mit einem stärkeren Klimaschutzakzent. Und als gegen Ende seiner etwa dreistündigen Aussage der Ausschussvorsitzende Udo Schiefner (SPD) Abgeordnete ermahnte, bei Fragen nicht abzuschweifen, fragte Seehofer nach dem Grund: "Das macht Spaß."
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(dpa/rt)