Der Vatikan hat eine "Gender-Ideologie" kritisiert, die unterschiedliche Geschlechter auslöschen wolle. In Schulen mache sich zudem beim Thema Sexualität ein "Bildungsnotstand" breit, heißt es in dem Papier der Bildungskongregation für die katholische Lehre. Die sogenannte Gender-Theorie sei eine "Ideologie, die den Unterschied (...) in der Natur eines Mannes und einer Frau leugnet und eine Gesellschaft ohne geschlechtliche Unterschiede vorsieht und somit die anthropologische Grundlage der Familie eliminiert".
Das Dokument namens "Als Mann und Frau schuf er sie" wendet sich gegen eine Tendenz, "die Unterschiede zwischen Mann und Frau auszulöschen, indem man sie als bloße historisch-kulturelle Konditionierung versteht". Das Papier wurde am Montag vorgestellt. Es wendet sich gegen die "fiktive Konstruktion eines neutralen oder dritten Geschlechts". Die Aufweichung von Geschlechtergrenzen sei ein "konfuses Konzept von Freiheit" und stehe für "momentane Sehnsüchte" eines jeden Einzelnen.
Laut einigen Gender-Theorie-Varianten wird das eigentliche Geschlecht eines Menschen nicht durch die chromosonal bedingten sichtbaren Genitalien definiert, sondern unter anderem durch kulturelle und soziale Einflüsse. Ein Mensch kann demnach beispielsweise mit männlichen Geschlechtsteilen zur Welt kommen, sich aber als Frau fühlen.
Die katholische Kirche und auch Papst Franziskus sprechen sich immer wieder offen gegen diese Theorie aus, weil dies der traditionellen Vorstellung von Mann und Frau als Eheleuten und Eltern widerspreche. Auch lehnt die Kirche die Homoehe oder Homosexuelle als Eltern strikt ab.
Der Verband New Ways Ministry, der für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender (LGBT) in der katholischen Kirche einsteht, kritisierte das Papier als "schädliches Werkzeug". Die "Fehlinformation in dem Dokument wird dazu führen, dass Familien ihre Kinder ablehnen" und Homosexuelle sowie Transgender weiter diskriminiert würden. Das Geschlecht werde "nicht nur durch sichtbare Genitalien bestimmt", heißt es in einer Mitteilung, "sondern auch durch Genetik, Hormone und Chemie – Dinge, die bei der Geburt nicht sichtbar sind".
Auch beim deutschen Lesben- und Schwulenverband (LSVD) sorgte der Leitfaden für Entsetzen. Mit dem Schreiben verweigere sich die katholische Kirche nicht nur der Realität geschlechtlicher Vielfalt. Sie legitimiere auch "Stigmatisierungen, Diskriminierungen und schwere Menschenrechtsverletzungen, wie sie weltweit an der Tagesordnung sind", erklärte Henny Engels, Mitglied im LSVD-Bundesvorstand.
Die Publikation ist eine Kampfansage an trans- und intergeschlechtliche Menschen, zielt aber auch auf Partnerschaften und Familien von Lesben und Schwulen sowie letztlich auf alle Menschen, die gegen die engen Vorstellungen und Normen von Männlichkeit, von Weiblichkeit und von Geschlecht verstoßen."
(dpa/rt deutsch)