"Elternteil 1" und "Elternteil 2" – Französische Schulen verabschieden sich von "Mutter" und "Vater"

Die französische Nationalversammlung hat für die Änderung eines Bildungsgesetzes gestimmt, um die Bezeichnungen "Mutter" und "Vater" durch "Elternteil 1" und "Elternteil 2" zu ersetzen. Nun fragen sich einige: Wer ist die "Nummer 1" und wer die "Nummer 2"?

von Timo Kirez

Erinnern Sie sich noch an Monsieur und Madame Leroc? Die "Musterfamilie" Leroc war in den 1980er Jahren die französische Schulbuch-Familie. Die Lerocs hatten zwei Kinder, Monique und Daniel. Zudem noch einen Hund, der mysteriöserweise keinen Namen trug. Das hat allerdings nichts mit dem alten Witz zu tun, in dem ein Mann in eine Bar kommt und einen Hund ohne Beine auf den Tresen ablegt. Der Wirt, ganz gerührt, fragt den Mann, wie denn der arme Hund heiße – woraufhin der nur trocken feststellt: "Hat keinen Namen. Kommt ja doch nicht, wenn man ihn ruft". Der Hund der Lerocs hatte zwar Beine, aber eben keinen Namen. Und wer in der Schule damals Französisch gewählt hatte, kam um diese "schreckliche nette Familie" nicht herum. Doch die Schulbücher der Zukunft werden vermutlich nichts mehr mit den zugegeben stereotypen Lerocs der 1980er Jahre zu tun haben.

Die französische Nationalversammlung verabschiedete am Dienstag letzter Woche ein Gesetz, wonach die Bezeichnungen "Vater" und "Mutter" durch "Elternteil 1" und "Elternteil 2" ersetzt werden sollen. Der Hintergrund: Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern sollen genauso Anerkennung finden wie nicht gleichgeschlechtliche Eltern. Die Partei République en Marche (REM) von Präsident Emmanuel Macron unterstützte die Änderung des Gesetzes im Interesse der "Verankerung der Vielfalt von Familien mit Kindern ", so die Abgeordnete Valérie Petit. Niemand solle sich durch rückschrittliches Denken von dieser Gesellschaft ausgeschlossen fühlen. In dem Änderungsantrag heißt es: "Um Diskriminierung zu verhindern, dürfen Schulanmeldung, Klassenbücher, Elternberechtigungen und alle anderen offiziellen Formulare mit Kindern nur Elternteil 1 und Elternteil 2 erwähnen." 

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Die Parteien in der Mitte und links begrüßten den Änderungsantrag. Katholische und konservative Kreise zeigen sich verärgert. Doch selbst der Präsident der französischen Vereinigung für gleichgeschlechtliche Familien, Alexandre Urwicz, scheint nicht ganz glücklich mit der Regelung zu sein. Er begrüße zwar den Änderungsantrag grundsätzlich, doch er befürchte, dass die neue Formel irreführend sei, da sie zu einer "Elternhierarchie" führen könnte: "Wer ist Elternteil Nummer 1 und wer ist Elternteil Nummer 2", fragte Urwicz in einem Kommentar gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. In der Tat eine berechtigte Frage.

Man stelle sich nur eine Frühstücksszene in einem zukünftigen Französischbuch vor. "Elternteil 1" fragt "Kind 2" warum es immer noch nicht mit seinen Cornflakes fertig ist, woraufhin "Kind 1" triumphierend seine leere Cornflakes-Schüssel herzeigt und "Kind 2" die Zunge rausstreckt. Es kommt zu einer Rempelei zwischen "Kind 1" und "Kind 2", "Elternteil 2" interveniert und trennt die beiden. Auch "Großelternteil 1" fühlt sich genötigt, schlichtend einzuschreiten, was wiederum "Großelternteil 2" ganz und gar nicht gefällt. Nur der Hund, der hockt entspannt in der Ecke und erinnert sich an Jean-Paul Sartres weise Worte: "Vielleicht gibt es schönere Zeiten, aber diese ist die unsere."

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