Corona-Krise: "Nach der Angst kommt die Wut" – Österreichische Psychologin warnt vor Folgen

Mehr als anderthalb Jahre nachdem die Weltgesundheitsorganisation WHO die COVID-19-Pandemie ausgerufen hatte, bleiben Grundrechte und die Gesellschaft weiter massiv eingeschränkt. Die Wiener Psychologin Anna Werksnies beschreibt die Mechanismen und die Folgen.

von Tilo Gräser

"Nach der Angst kommt die Wut und mit ihr der Verlust an Solidarität, Integrität und Loyalität." Davor warnt die österreichische Psychologin Anna Werksnies angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise. "Unsicherheiten, Aggressionen und Misstrauen werden still und heimlich zu ständigen Begleitern unseres Alltages. Die Gesellschaft zerbricht in Subgruppen, die einander bekämpfen."

Werksnies warnt in einem am Montag auf der Webseite keinzustand.at veröffentlichten Text vor dieser Gefahr für die soziale Gesellschaft. Sie beschreibt darin grundsätzliche Entwicklungen, die nicht nur während der COVID-19-Pandemie zu beobachten sind. Aber in dieser scheinen sie besonders zum Tragen zu kommen.

So hatte der österreichische Gesundheitswissenschaftler und ehemalige Regierungsberater Michael Sprenger in seinem Buch "Das Corona-Rätsel" zum 30. März 2020 über das Agieren des inzwischen zurückgetretenen Kanzlers Sebastian Kurz festgestellt: ''Der Bundeskanzler hat die Ebene der Sachpolitik eindeutig verlassen. Meine Vermutung ist, dass er nach der erfolgreichen Abwendung der Bedrohung für das Gesundheitssystem und der Erreichung des Lockdown-Ziels erkannt hat, dass er diese Krise politisch nutzen kann. In den Meinungsumfragen hat er absolute Spitzenwerte erreicht. (…) Auf jeden Fall setzt Sebastian Kurz ab sofort auf eine Eskalation der Angst.''

Angst als Strategie

Ähnlich wie in Österreich geschieht es in der Bundesrepublik, wovon unter anderem das im Frühjahr 2020 bekanntgewordene Strategie-Papier aus dem Bundesinnenministerium kündet. In dem von Ministeriumsberatern erstellten Papier wird gezielte Angstmache als wichtigstes Mittel beschrieben, um die Bevölkerung auf die Corona-Politik der Regierung einzuschwören. Es müsse gezeigt werden, dass im schlimmsten Fall viele Schwerkranke von überlasteten Krankenhäusern abgewiesen werden und qualvoll ersticken würden, hieß es darin unter anderem. Die österreichische Psychologin stellt fest:

"Die beste Strategie, jemanden fügsam, folgsam oder angepasst zu machen, ist ihm schlicht und einfach Angst einzujagen. Je ängstlicher ein Mensch wird, desto mehr ist dieser bereit, alles zu tun, um die mächtige Emotion Angst loszuwerden."

Zugleich könnten große Menschengruppen nicht aus sich selbst heraus einen Ausweg finden.

Massen seien auf einen "Helfer" angewiesen: "In diesem Moment sollte der Ritter in der goldenen Rüstung als der Befreier in der Not ganz vorne stehen." Dafür werde auch viel Geld für Imageberater, Kommunikationsexperten, Chaos-Architekten und Lobbyisten ausgegeben. Der vermeintliche Retter habe die besten Chancen, wenn emotional geladene Bedrohungsszenarien wie "Flüchtlingswellen" oder das Virus Sars-Cov-2 "massiv polarisierend in die Masse getragen werden".

Suche nach Sündenbock

Bei Angst entsteht der große Drang, sich an jemanden zu binden, der Abhilfe verspricht, erinnert Werksnies an evolutionsbiologisch bedingte Überlebensstrategien des Menschen. Dabei spiele nicht so sehr die Qualität des Befreiers eine Rolle, "sondern die Präsenz, die Macht und die Dominanz". Der Mensch verharre eine Weile "in dieser Bindungstendenz an den Befreier und die Masse verhält sich ruhig und angepasst".

Dabei müssten die eingesetzten Erklärungen und Argumente "nicht zwingend logisch oder stichhaltig sein", schreibt Werksnies. Sie müssten "nur leicht und schnell bei vielen ankommen". Dafür sei unter anderem die Online-Plattform Twitter sehr gut geeignet. Doch gefährlich werde es, wenn der erzeugte Angstzustand zu lange anhalte.

Dann werde ein Ventil gesucht, um die aufgestaute Wut aus Angst herauslassen zu können: "Jetzt wird ein Sündenbock gesucht!" Wen die Wut dann treffe, sei "oftmals nicht logisch rational". Für den "Befreier" sei wichtig, dann einen "Sündenbock" zu liefern, so die Psychologin. Derzeit zeigen die Regierenden in der seit anderthalb Jahren andauernden Corona-Krise mit ihrer Rede von der "Pandemie der Ungeimpften" und ihrem Vorgehen gegen diese, wie das funktioniert.

Werksnies warnt, "dass durch die überdauernde Krise die Empathiefähigkeit der Menschen abnimmt und die Selbstüberhöhung steigt, sodass die Sündenböcke zunehmend unter verbalen und physischen Druck geraten". Sie verweist darauf, dass Politiker gerne die Rolle des ''Befreiers'' einnehmen, nach Macht streben und sich dieser einfachen Strategie bedienen.

Kontrolle statt Freiheit

Wenn diese Rolle des "allmächtigen Befreiers" auf Dauer beibehalten werde, drohe eine gesellschaftliche Krise. "Vielleicht wird genau aus diesem Grund eine Überwachung aller zum einzigen Mittel, Ordnung und Sicherheit gewährleisten zu können", schreibt die Psychologin aus Wien.

Selbst der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans Jürgen Papier, stellte im März dieses Jahres in einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt fest, "dass derart intensive, flächendeckende und nicht nur kurzzeitige Freiheitsbeschränkungen, die allein von der zweiten Gewalt beschlossen werden, für mich als Staatsrechtler bisher undenkbar gewesen waren". Die eigentliche Entscheidung darüber, welche Schutzmaßnahmen in welchem Ausmaß, mit welcher Dauer und vor allem in welcher Kombination angeordnet werden, sei nach wie vor der ermächtigten Exekutive überlassen, so Papier. Er beobachtete:

"In der Bewusstseinslage der politischen Akteure und bei Teilen der Bevölkerung scheint gelegentlich in Vergessenheit zu geraten, dass die Menschen dieses Landes freie Bürger sind. Sie verfügen über unveräußerliche und unentziehbare Freiheitsrechte, sie sind keine Untertanen!"

Und er wünschte sich: "Es wäre zu begrüßen, wenn jeder Bürger sich des Wertes der Freiheit, immer verbunden mit Verantwortung gegenüber dem Gemeinwesen, dem Anderen und auch gegenüber sich selbst, bewusst wäre."

Das Virus wird benutzt

Die Psychologin aus Wien erinnert mit ihrem Text daran, wie schnell das in Vergessenheit geraten kann, gezielt und bewusst angestoßen und ausgenutzt. Die Webseite keinzustand.at wird vom "Verein für kulturelle Information" in Wien betrieben, dem die Publizisten Hannes Hofbauer und Stefan Kraft vorstehen.

Zu ihrem Anliegen schreiben sie, der mehr als ein Jahr "herrschende de facto-Ausnahmezustand macht es notwendig, dagegen seine Stimme zu erheben. Die verordnete neue Normalität ist für viele von uns unerträglich geworden. So gefährlich der Auslöser (das Virus) auch sein mag, der 'Zustand', in dem wir zu leben gezwungen werden, ist von Menschen gemacht, genauer: von Regierungen."

Das Virus werde benutzt, um "Maßnahmen zur extremen Einschränkung des sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens zu erlassen". Die Beiträge auf der Webseite stammen von unterschiedlichen, zumeist deutschsprachigen Autoren.

Mehr zum Thema - Buch über Corona-Angst: Diagnose und Chancen für eine Heilung

Information:

Das Virus SARS-CoV-2 löst laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Atemwegserkrankung COVID-19 aus. Am 11. März 2020 hat die WHO eine Pandemie ausgerufen. Grundlage dafür ist die weltweit starke Ausbreitung einer Infektionskrankheit mit hohen Erkrankungszahlen und in der Regel auch mit schweren Krankheitsverläufen. Nach offizieller Einschätzung handelt es sich um ein gefährliches Virus sowie um eine Krankheit, die vor allem für sogenannte Risikogruppen tödlich ausgehen kann. Generell gilt, dass neben Impfungen Corona-Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen und die AHA+A+L-Regeln – Abstand halten, Hygieneregeln beachten, Alltag mit Maske, die Nutzung der Corona-Warn-App und regelmäßiges Lüften – essentiell sind. Auch die regelmäßige Verwendung von PCR-Tests, um potenziell infizierte Personen zu identifizieren, damit diese sich in Quarantäne begeben können, wird von den Behörden als sinnvoll erachtet, um die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Erregers zu ermitteln. Die Erklärungen der WHO und des für Deutschland zuständigen Robert Koch-Institutes zum Virus und zur Pandemie finden Sie hier und hier.