Möglichst wenig Kontakte untereinander, Abstand, Masken und Desinfektion – das soll seit März 2020 helfen, das Virus SARS-CoV-2 einzudämmen. Neben den Befürwortern der Maßnahmen gibt es vermehrt Stimmen, die das kritisieren und die Folgen für schlimmer halten als den mutmaßlichen Nutzen. Dessen ungeachtet gilt auch die Digitalisierung als Mittel, "soziale Kontakte weitgehend zu reduzieren", was Kanzlerin Angela Merkel bereits im Frühjahr 2020 forderte.
Darauf macht die aktuelle deutsche Ausgabe des Magazins MIT Technology Review (Heft 6/2021) aufmerksam. In einem Beitrag zum Heft-Extra Smart Home mit dem Titel "Kontaktlos Leben" wird beschrieben, wie selbst ein gemeinsames Abendessen mit den Eltern ohne realen Kontakt ablaufen kann: Das Essen kommt per Kurier, und die Familienmitglieder sehen sich per Bildschirm beim Essen zu. Was als Szene im Kurzthriller "KontaktLos" zu sehen ist, ist laut dem Beitrag beim Berliner Starkoch Tim Raue bereits möglich: Die Zutaten für das Menü kommen per Lieferservice und gekocht wird gemeinsam per Videokonferenz.
Direkte Kontakte seien "gar nicht so ungefährlich für Risikogruppen und Ungeimpfte", wird behauptet. In Folge der Pandemie gibt es mehr "Stubenhocker", auch "Drinnies" genannt, heißt es weiter in dem Beitrag. Für ein Leben, das nur noch in den eigenen vier Wänden und vor allem ohne Kontakt zu anderen Menschen stattfindet, die vermeintlich gefährlich sind, brauche es nur "aktuelle Technik und gute Ideen".
Der Magazin-Beitrag nennt als Beispiel das Besichtigen und Vermitteln von Immobilien via Besichtigungsroboter. Der sehe aus wie ein Roller mit einem Tablett, das als Kamera und Mikrofon diene. Eine andere Variante seien Online-Besichtigungen mithilfe von 360-Grad-Rundumsichten, basieren auf Fotos von den Räumen. Über eine Videokonferenz werden dann Kunden und Makler verbunden.
Die Angst der "Stubenhocker"
Laut einem Immobilien-Firmenvertreter ersetzt die Variante nicht die reale Besichtigung, helfe aber, die Zahl der Interessenten zu reduzieren. Statt bisher etwa zehn Terminen für einen Vertrag seien so nur noch drei Termine notwendig. Sogar Drohnen sollen in Zukunft in solchen Fällen eingesetzt werden, heißt es in dem Magazin. Eine Tochterfirma des Konzerns Amazon wolle ein System anbieten, das nicht nur helfen könne, Wohnungen zu besichtigen – es soll "vor allem Einbrecher verscheuchen".
Besonders ängstliche "Stubenhocker" befürchten auch noch, sich beim Zusteller eines Lieferdienstes anzustecken. Ihnen kann laut dem Magazin-Beitrag geholfen werden: Bereits heute liefere ein deutscher Logistikdienstleister nachts an Kunden, indem die Ware an einen vereinbarten Abstellplatz gebracht wird. "Die Corona-Pandemie ist für uns eine Chance", wird Henry Kussatz vom Unternehmen "nox Nachtexpress" zitiert. Das Geschäft solle auch für Privatkunden angeboten werden.
Die Ware könne selbst an eine Paketbox im Kofferraum des eigenen Pkw auf einem Parkplatz geliefert werden. "Der Besitzer gibt die Zentralverriegelung für Paketdienste seiner Wahl frei, der Zusteller öffnet den Kofferraum mit seinem Smartphone via Bluetooth und einem Code." Und: "Drinnies müssen dann nur noch von der Wohnungstür zum Parkplatz – ein vertretbares Risiko."
Digitale Hilfe für Tourismus
Auch für die pandemiegeschädigte Tourismus-Branche bietet die Digitalisierung Chancen, so das Magazin. Das sei vor allem bei Ferienwohnungen der Fall, in denen "sich besorgte Gäste einigeln, selbst versorgen, ohne Kontakt zu anderen Menschen".
Die Schlüsselübergabe erfolge kontaktfrei. Ein Vermieter von Ferienwohnungen in Bayern habe das weiterentwickelt: Er bietet dem Bericht nach nicht nur kontaktloses Buchen an, die Gäste können die Wohnung dann mit einem Code oder Smartphone betreten. Die Verpflegung werde geliefert – "ideal für Smartphone-affine Gäste, die im Urlaub anonym bleiben und niemanden treffen wollen", so der Vermieter.
Was bisher eine Nische im Tourismus gewesen sei, werde immer breiter und stärker angenommen, wird er im Magazin zitiert. Das Ganz werde unterstützt durch verschiedene digitale Systeme, von der technischen Einrichtung der Wohnung bis hin zur Organisation der Reinigungskräfte. Damit sei in nicht allzu ferner Zukunft sei eine "vollständig digitalisierte und automatisierte Vermietung von Ferienwohnungen" möglich.
Kontaktlos beim Zahnarzt
Aber selbst eine Sprechstunde beim Arzt könne zunehmend ohne realen Kontakt erfolgen, heißt es in dem Beitrag. In der COVID-19-Pandemie habe sich von März 2020 bis Juni 2021 die Zahl der Online-Sprechstunden bei der Plattform Jameda vervierzigfacht.
Auch Zahnärzte nutzten dazu die digitale Technik, obwohl Zahnbehandlungen virtuell nicht möglich seien. Diese können so aber vorbesprochen werden oder zum Beispiel bei Schmerzen Medikamente online verschrieben werden. Der Zahnarzt entscheide online, ob ein Besuch der Praxis notwendig ist.
Das helfe unter anderem Pflegebedürftigen, die das Heim nicht verlassen dürfen, berichtet ein Hamburger Zahnarzt in dem Beitrag. Dieser Trend werde nach der Pandemie anhalten, sagte eine Hamburger Dentalhygienikerin dem Magazin. "Videosprechstunden sind langfristig eine Bereicherung, gerade auch für Menschen mit wenig Zeit."
Mehr zum Thema - KI-Experte Schmidhuber: "Das heutige Leben ist ohne künstliche Intelligenz gar nicht vorstellbar"