Flüchtlinge aus Mariupol: Für das ukrainische Militär waren wir menschliche Schutzschilde

Eine humanitäre Katastrophe spielt sich derzeit in Mariupol ab. Die Einwohner sitzen ohne Essen und Wasser in ihren Kellern fest. Wenn sie zu fliehen versuchen, begeben sie sich in Lebensgefahr. Die Geretteten erzählen Journalisten von ihren Erlebnissen.

Weder die städtischen Behörden noch das ukrainische Militär hätten sich um die Evakuierung der Zivilisten aus der Stadt Mariupol im Süden der Volksrepublik Donezk gekümmert. Ganz im Gegenteil: Die bewaffneten Formationen der ukrainischen Armee hätten die Einwohner als menschliches Schutzschild missbraucht. Das berichten nun übereinstimmend Geflüchtete aus der von der russischen Armee und der Donezker Volksmiliz eingekesselten Stadt.

So erzählte eine Einwohnerin Mariupols Journalisten, ihre Familie habe zufällig von der Evakuierung erfahren. Sie sagte, sie und ihre Kinder hätten sich 15 Tage lang im Keller versteckt und nicht herauskommen können, da das ukrainische Militär "Panzer aufstellte" und die Zivilisten sich verstecken mussten, "damit wir nicht erschossen werden".

Dann musste sich die Frau auf eigene Faust aus der umkämpften Stadt retten. "Es gab keine Häuser oder irgendetwas auf der Straße, alles brannte, es lagen tote Menschen und Soldaten, Kinder schrien und weinten. Wir liefen unter den Kugeln hindurch und schafften es kaum zu den Bussen." Irgendwann habe sie das russische Militär erreicht, das sie und die Kinder mit Essen und Süßigkeiten versorgte.

"Und die ganze Zeit haben sich die Asow-Truppen hinter uns versteckt. Wir waren ein menschliches Schutzschild für sie. Um uns herum haben sie alles zerschlagen."

Außerdem berichtete die Augenzeugin, dass die ukrainischen Streitkräfte in der Zivilbevölkerung Hass und Angst vor der russischen Armee schürten. "Sie sagten, dass Sie [das russische Militär] auf Menschen schießen. Es war beängstigend. Kinder liefen herum und weinten, als sie das Militär sahen, denn sie waren es gewohnt, wie die Ukrainer sie behandelten", erzählte die Frau Reportern. Ihr zufolge behandelten die Uniformierten die Einwohner in all den Jahren seit Beginn des Ukraine-Konfliktes schlecht – sie kämen betrunken in Läden und forderten von den Kindern, nationalistische Parolen wie "Ruhm den Helden" zu skandieren.

Eher beiläufig erzählte die Augenzeugin von der Zerstörung des Schauspielhauses durch ukrainisches Militär. Das sei bei dessen Abzug geschehen. "Die Menschen [aus dem Schutzbunker des Schauspielhauses] wurden mit Splitterwunden zu uns gebracht."

Am Mittwochabend wurde das Theatergebäude angegriffen, woraufhin der ukrainische Außenminister Dmitri Kuleba Russland eines Kriegsverbrechens beschuldigte. "Die Russen mussten wissen, dass dies ein ziviler Unterschlupf ist. Rettet Mariupol! Stoppt russische Kriegsverbrecher!", schrieb er auf Twitter. Das russische Verteidigungsministerium wies die Vorwürfe zurück und warf dem Regiment Asow eine Provokation vor.

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