Vor dem ersten Jahrestag der Proteste: Gelbwesten diskutieren Zukunft der Bewegung

Am Sonntag begeht die Protestbewegung der Gelbwesten in Frankreich ihr einjähriges Jubiläum. Vor zwei Wochen trafen sich in Montpellier hunderte von ihnen, um über die Zukunft der Bewegung zu diskutieren. Dabei ging es auch um eine mögliche Teilnahme an den Kommunalwahlen.

Obwohl von der internationalen Presse mittlerweile nur noch wenig beachtet, gehen die Demonstrationen der französischen Gelbwesten weiter. Am morgigen Sonntag begeht die Protestbewegung ihr einjähriges Jubiläum. Am 17. November 2018 hatten die Gelbwesten mit der landesweiten Errichtung hunderter Straßensperren international für Aufsehen gesorgt. Damals nahmen rund 300.000 Menschen an den Protesten teil.

Vor zwei Wochen fand in Montpellier von Freitag bis Sonntag die vierte Assemblée des Assemblées (Versammlung der Versammlungen, ADA) statt. Die Organisation, die aus landesweiten lokalen Gruppierungen von Gelbwesten besteht, will als basisdemokratische Plattform für Debatten, Austausch, Koordination und Vergemeinschaftung dienen. Da keine Räumlichkeit für die Veranstaltung zu bekommen war, wurde beschlossen, ein 2010 geschlossenes Landwirtschaftsmuseum zu besetzen.

Ungefähr 600 Gelbwesten aus 200 Delegationen trafen ein und debattierten in kleinen Gruppen von jeweils 10 Leuten zu vorab per Abstimmung festgelegten Themen. Wesentliche Fragen waren: Wie kann die Beziehung zur Bevölkerung wieder gestärkt werden? Wie kann konkret mit anderen Bewegungen zusammengearbeitet werden? Wie kann man sich angesichts von Repression organisieren? Wie lassen sich Gegner und Verbündete definieren? Wie soll im Kontext der kommenden Kommunalwahlen gehandelt werden?

Das Ziel der Gespräche bestand weniger darin, verbindliche gemeinsame Linien festzulegen, sondern sollte hauptsächlich dem gemeinsamen Austausch dienen. Dennoch wurden Entscheidungen per Abstimmung getroffen. So entschied man sich bezüglich des Gesprächspunktes, wie mit anderen Bewegungen zusammengearbeitet werden könne, mit großer Mehrheit dafür, sich dem von mehreren Gewerkschaften angekündigten Streik am 5. Dezember gegen die Rentenreform anzuschließen.

Teilnahme an Kommunalwahlen kontrovers diskutiert

Zur kontrovers diskutierten Frage, ob sich die Gelbwesten an den Kommunalwahlen 2020 mit eigenen Kandidaten beteiligen sollen, gab es kein klares Votum. Man einigte sich darauf, diese Entscheidung den jeweils lokalen Gruppierungen zu überlassen, die die spezifische politische Situation vor Ort überschauen. In Bezug auf die Definition von Verbündeten und Gegnern war man sich einig, die Mainstreammedien, denen die Gelbwesten verzerrende Berichterstattung und "Unsichtbarmachung" vorwerfen, als Propagandaorgane des Gegners zu klassifizieren.

Ein wesentliches Thema der Versammlung war schließlich die Frage, wie das morgige einjährige Jubiläum gestaltet werden soll. Klar war, dass man ein deutliches Zeichen setzen wolle. Die Medien, die zum ersten Mal zur Versammlung zugelassen waren, wurden bei diesem Gesprächspunkt jedoch ausgeladen.

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